Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusatzversorgung öffentlicher Dienst
Leitsatz (amtlich)
Die Regelung des § 79 Abs. 1 S. 1 VBLS zur Berechnung der Betriebsrentenanwartschaften sog. rentenferner Pflichtversicherter ist unwirksam. Eine darauf beruhende Startgutschrift legt den Anwartschaftswert nicht verbindlich fest.
Normenkette
VBLS § 78 Abs. 2 S. 1, § 79 Abs. 1 S. 1; BetrAVG § 18 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3, Art. 14, 20 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Berufungen beider Parteien wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 30.1.2004 - 6 O 197/03 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten gem. ihrer Satzung erteilte Startgutschrift den Wert der von dem Kläger bis zum 31.12.2001 erlangten Anwartschaft auf eine bei Eintritt des Versicherungsfalles zu leistende Betriebsrente nicht verbindlich festlegt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weiter gehenden Berufungen werden zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger beanstandet die ihm von der Beklagten auf der Grundlage ihrer neu gefassten Satzung mitgeteilte Startgutschrift.
Mit Ablauf des 31.12.2001 hat die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) ihr Zusatzversorgungssystem umgestellt von einer an der Beamtenversorgung orientierten Gesamtversorgung auf ein auf die Verzinsung von Beiträgen ausgerichtetes Punktemodell. Danach errechnet sich die bei Eintritt des Versicherungsfalls zu leistende Betriebsrente aus der Summe der erworbenen Versorgungspunkte. Zu dem genannten Stichtag wurden die Werte der bereits erlangten Rentenanwartschaften festgestellt und als sog. Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten übertragen.
Im Altersvorsorgeplan 2001 hatten sich die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes am 13.11.2001 auf den Systemwechsel geeinigt. Die Einzelheiten wurden im Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung - ATV) vom 3.1.2002 vereinbart. Der ATV liegt der neuen Satzung der Beklagten (VBLS) zugrunde, die von ihrem Verwaltungsrat am 9.9.2002 mit Wirkung ab dem 1.1.2001 beschlossen worden und durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger vom 3.1.2003 nach vorheriger Genehmigung durch den Bundesminister der Finanzen in Kraft getreten ist.
Die Übergangsregelungen der neuen Satzung betreffen neben den bereits Rentenberechtigten (vgl. §§ 75-77 VBLS) vor allem die Inhaber von Rentenanwartschaften (Rentenanwärter). Bei den Rentenanwärtern wird zwischen rentennahen und rentenfernen Jahrgängen unterschieden. Rentennah sind diejenigen Versicherten, die nicht dem Tarifgebiet Ost unterliegen und am 1.1.2002 das 55. Lebensjahr vollendet haben (§ 79 Abs. 2 S. 1 VBLS). Es handelt sich bei der Beklagten um ca. 200.000 Personen. Bei ihnen werden die Anwartschaften zum Stichtag 31.12.2001 weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt und übertragen (vgl. §§ 79 Abs. 2-7 VBLS). Für die größte Gruppe der rentenfernen Jahrgänge mit ca. 1,7 Mio. Versicherten berechnen sich gem. § 79 Abs. 1 S. 1 VBLS die Anwartschaften nach § 18 Abs. 2 des Gesetzes zur betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG). § 18 Abs. 2 BetrAVG in der hier maßgeblichen, am 1.1.2001 in Kraft getretenen Fassung enthält Regelungen zur Höhe unverfallbar gewordener betrieblicher Versorgungsanwartschaften für Arbeitnehmer, die vor Eintritt des Versorgungsfalles aus einem Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst ausgeschieden sind.
Der 1948 geborene Kläger gehört zu den rentenfernen Jahrgängen. Bis zum 31.12.2001 hat er 360 Umlagemonate, in denen ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes für seine Altersversorgung Zahlungen an die Beklagte geleistet hat, erreicht. Außerdem hat der Kläger 104 Monate als sog. Vordienstzeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung außerhalb es öffentlichen Dienstes zurückgelegt. In der Mitteilung vom 15.10.2002 hat die Beklagte die Rentenanwartschaft des Klägers zum 31.12.2001 auf 220,80 EUR beziffert und ihm dementsprechend eine Startgutschrift von 55,20 Versorgungspunkten erteilt.
Gemäß § 78 Abs. 3 VBLS sind Beanstandungen gegen die mitgeteilte Startgutschrift innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Zugang der Mitteilung über die Startgutschrift schriftlich unmittelbar ggü. der Anstalt zu erheben. Diese Frist hat der Kläger eingehalten.
Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen, insb. zur näheren Ausgestaltung des alten und des neuen Versorgungssystems und der Übergangsvorschriften, wird auf das Urteil des LG Bezug genommen.
Das LG hat die ...