Leitsatz (amtlich)

1. Wer sich eines Masseanspruchs (hier nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) berühmt, der weder tituliert noch glaubhaft gemacht ist, kann Einsicht in die Insolvenzakte nur unter den Vorraussetzungen des § 299 Abs. 2 ZPO (i.V.m. § 4 InsO) beanspruchen.

2. Es reicht für das nach § 299 Abs. 2 ZPO erforderliche rechtliche Interesse nicht aus, dass der angebliche Massegläubiger aus dem Inhalt der Insolvenzakte Umstände zu erfahren hofft, die ihm die Verfolgung seines angeblichen Anspruchs erleichtern. Das gilt auch dann, wenn inzwischen Masseunzulänglichkeit angezeigt worden ist.

3. Legt der auf Schadensersatz in Anspruch genommene Insolvenzverwalter im Prozess Unterlagen aus der Insolvenzakte vor, so folgt daraus nicht zwangsläufig ein rechtliches Interesse des Klägers an der Einsicht in die Insolvenzakte, vielmehr ist das eine Frage des Einzelfalls (Abgrenzung zu OLG Saarbrücken OLGReport Saarbrücken 2000, 297, wobei offen bleibt, ob dieser Entscheidung zu folgen wäre).

 

Normenkette

ZPO § 299

 

Tenor

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens und die den Beteiligten zu 2) und 3) entstandenen außergerichtlichen Kosten.

3. Der Geschäftswert wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Beteiligte zu 3) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der T. Textil GmbH - G.T. und Sohn (demnächst: T. alt). Um deren Geschäftsbetrieb jedenfalls teilweise fortzuführen, erwarb er zwecks Betriebs einer Auffanggesellschaft eine "Vorrats-GmbH" und änderte deren Firma in T. Textil GmbH (demnächst: T. neu). Deren Stammkapital betrug 25.000 EUR. Er nahm eine Aufteilung in zwei Geschäftsanteile von 16.500 EUR bzw. 8.500 EUR vor. Mit notariellen Verträgen vom 19.7.2004 übertrug er den Geschäftsanteil von 16.500 EUR auf die Antragstellerin, den von 8.500 EUR auf Herrn O, damals einer der Geschäftsführer der T. neu. Später kam es zwischen der Antragstellerin und dem Beteiligten zu 3) zum Streit über Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb des Geschäftsanteils von 16.500 EUR. Am 13.9.2005 vereinbarten sie u.a., dass alle Ansprüche der Antragstellerin gegen den Beteiligten zu 3), namentlich aus den vom ihm im Übertragungsvertrag vom 19.7.2004 übernommenen Garantien, erledigt seien, soweit sie nicht auf Vorsatz beruhten.

Im Rechtsstreit 10 O 520/06 LG Aachen nimmt die Antragstellerin im Wege der Teilklage den Beteiligten zu 3) persönlich und in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der T. alt auf Schadensersatz i.H.v. 100.000 EUR Zug um Zug gegen Abtretung des Geschäftsanteils von 16.500 EUR an der T. neu in Anspruch mit der Begründung, dieser habe sie über für den Vertragsabschluss wesentliche Umstände arglistig getäuscht, insbesondere weil er eine zur Verhandlungsgrundlage gemachte Zwischenbilanz und Gewinn- und Verlust- Rechnung betreffend die T. neu per 30.6.2004 unter bewusster Missachtung allgemein anerkannter Bilanzgrundsätze durch den Mitgeschäftsführer der T. neu W habe erstellen lassen; der Beteiligte zu 3) habe von den falschen Ansätzen gewusst; der ausgewiesene Halbjahresgewinn von mehr als 300.000 EUR sei falsch; richtigerweise sei die T. neu schon damals überschuldet gewesen. Außerdem habe der Beteiligte zu 3) ihm nahestehenden Dritten, u.a. seiner Ehefrau, die T. neu wirtschaftlich schädigende, ihre Unterbilanz vertiefende Geschäfte ermöglicht. Hilfsweise macht die Antragstellerin den der T. neu entstandenen Schaden - Vermögensentzug - fiduziarisch auf Grund einer mit dieser am 25.9.2006 getroffenen Vereinbarung geltend.

Der Beteiligte zu 3) ist der Klage entgegen getreten - er hält sie für unzulässig und unbegründet - und bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe.

Eine mündliche Verhandlung hat noch nicht stattgefunden.

Über das Vermögen der T. neu ist inzwischen das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Unter dem 16.1.2006 hat der Beteiligte zu 3) gem. § 208 InsO Masseunzulänglichkeit bezüglich der T. alt angezeigt.

Die Antragstellerin hat am 14.2.2007 Einsicht in die Akte des Insolvenzverfahrens betreffend die T. alt beantragt. Der Beteiligte zu 3) hat einer Einsicht widersprochen. Mit Beschluss vom 28.2.2007 hat der im Insolvenzverfahren zuständige Rechtspfleger Akteneinsicht abgelehnt mit der Begründung, der Antragstellerin als am Insolvenzverfahren nicht beteiligter Dritter fehle das nach §§ 4 InsO, 299 Abs. 2 ZPO erforderliche rechtliche Interesse; sie wolle mittels Akteneinsicht Tatsachen erfahren, die ihr die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Beteiligten zu 3) ermöglichen bzw. erleichtern sollen; hierbei handele es sich nur um ein wirtschaftliches Interesse, das nicht mit dem Verfahrengegenstand des Insolvenzverfahrens rechtlich verbunden sei.

Der Antragsgegner hat durch Verfügung vom 24.2.1999 die Entscheidung über Akteneinsichtsgesuche dem Insolvenzgericht übertragen, allerdings mit der Maßgabe, dass es bei seiner Zuständigkeit bleibt, wenn der Gesuchsteller mit der Entscheidung des Rechtspflegers n...

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