Leitsatz (amtlich)

1. Eine ergänzende Testamentsauslegung gemäß dem Rechtsgedanken des § 2069 BGB erfordert - über die einem Abkömmling im Sinne des § 2069 BGB vergleichbare Stellung hinaus - zusätzlich, dass sich aus sonstigen letztwilligen Bestimmungen oder auch aus außerhalb des Testaments liegenden Umständen ergibt, dass die Zuwendung den Bedachten als Ersten ihres jeweiligen Stammes und nicht nur ihr persönlich gegolten hat (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. OLG München ZEV 2017, 353; dem folgend: OLG Düsseldorf ZEV 2018, 140).

2. Für die Berechnung der Kostenquoten im Beschwerdeverfahren gerichtet auf die Erteilung eines Erbscheins ist auf den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens abzustellen.

Dieser errechnet sich bei mehreren Beteiligten im Beschwerdeverfahren aus der Addition des von diesen jeweils verfolgten wirtschaftlichen Interesse am Ausgang des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Kostenquoten werden auf das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen bezogen auf den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens und dem jeweiligen wirtschaftlichen Interesse des Beteiligten, das er im Beschwerdeverfahren verfolgt, errechnet.

 

Normenkette

BGB § 2069; FamFG § 84; GNotKG §§ 36, 40, 61

 

Verfahrensgang

AG München (Aktenzeichen 60 VI 2556/15)

 

Tenor

1. Der Beschluss des Amtsgerichts München - Nachlassgericht - vom 7.6.2016 bleibt mit der Maßgabe aufrechterhalten, als festgestellt ist, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Teil-Erbscheins, der die Beteiligte XX als Erbin zu 1/3 entsprechend dem Hilfsantrag vom 3.8.2015 ausweist, vorliegen.

2. Auf die Beschwerden und die Anschlussbeschwerden wird der Beschluss des Amtsgerichts München - Nachlassgericht - vom 7.6.2016 in Ziffer 1 insoweit aufgehoben, als die Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 1 und 4 und 5 zurückgewiesen worden sind.

3. Im Übrigen werden die Beschwerden und die Anschlussbeschwerden zurückgewiesen.

4. Die Beschwerdeführer und die Anschlussbeschwerdeführer tragen die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens wie folgt: a) die Beschwerdeführerin zu 1 zu 44 % b) die Anschlussbeschwerdeführerinnen zu 3 und 6 zu 10 % c) die Beschwerdeführer zu 4 und 5 zu 30 %.

5. Außergerichtliche Kosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erstattet.

6. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.593.734 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der in zweiter Ehe verheirate Erblasser verstarb am 03.02.2015 ohne Hinterlassung von Angehörigen. Mit seiner ersten Ehefrau hatte er am 12.08.1977 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem es auszugsweise heißt:

"Gemeinschaftliches Testament,

der Eheleute M. D. ... und W.D. ...

Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein.

Nach unserem Tode soll der gemeinsame Nachlass unter der Treuhandverwaltung und evt. Vormundschaft durch Herrn K.-H. Z.... an folgende Erben übergehen.

1/3 Wohnhaus mit Inventar H-straße 23 + Rückgeb. an Frau L.S. geb. H.... und K.D. 2/3 Rest zu gemeinschaftlichen Teilen.

2/3 Erbengemeinschaftsanteil von H.-Straße 19 + 21 und K.-straße 30 an Frau R.S., 1/3 an Frau L.S."

Unterschriften

Die auf dem Testament genannten Brüche stehen teilweise knapp vor den Zeilen und scheinen mit einem anderen (blauen) Kugelschreiber geschrieben zu sein als der Rest des Testaments.

Die erste Ehefrau des Erblassers (M.D.) ist am 14.12.1995 verstorben.

L.S. und R.S. sind Cousinen der vorverstorbenen ersten Ehefrau des Erblassers. R.S. ist ihrerseits am 19.5.2011 unter Hinterlassung der Beteiligten zu 4 und 5 vorverstorben. L.S. ist am 07.01.2016 unter Hinterlassung der Beteiligten zu 3 und 6 nachverstorben.

Die Beteiligte zu 2, im Testament mit ihrem Mädchennamen K.D. bezeichnet, ist eine Nichte des Erblassers.

Am 27.08.2014 errichtete der Erblasser ein notarielles Testament, in dem er seine zweite Ehefrau, die Beteiligte zu 1, zur Alleinerbin einsetzte. Die Beteiligte zu 1 beantragte daraufhin, ihr einen Alleinerbschein zu erteilen. Nach der Entscheidung durch das Nachlassgericht beantragte sie, ihr hilfsweise einen Erbschein zu 1/2, weiter hilfsweise zu 1/3 zu erteilen.

Die Beteiligten zu 4 und 5 beantragten, ihnen einen Erbschein zu erteilen, der sie als Erben zu je 1/2 ausweist. Sie sind der Ansicht, das Testament sei in der Fassung ohne die aufgeführten Brüche maßgeblich. Danach sei ihrer Mutter wertmäßig der größte Vermögenswert zugewendet worden, so dass darin eine Einsetzung als Alleinerbe zu sehen sei. Nach dem Tod ihrer Mutter seien sie im Wege der Ersatzerbfolge an deren Stelle getreten.

Die Beteiligten zu 3 und 6 haben beantragt, ihnen einen Erbschein zu 1/2, hilfsweise zu 1/3 zu erteilen. Sie sind der Ansicht, hinsichtlich des Erbteils der vorverstorbenen R.S. sei keine Ersatzerbfolge, sondern Anwachsung eingetreten.

Das Nachlassgericht kündigte mit Beschluss vom 07.06.2016 die Erteilung eines Teilerbscheins an, der die - zwischenzeitlich verstorbene - L.S. als Erbin zu 1/3 ausweist, im Übrigen hat es die Erbscheinsanträge zurückgewiesen.

Es stützt sich im Wesentlichen darauf, dass das gemeinschaftliche Testament aus d...

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