Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung des Begriffs der Rechtshandlung i.S.v. § 135 Abs. 2 InsO

 

Leitsatz (redaktionell)

Es stellt keine Rechtshandlung der Insolvenzschuldnerin i.S. von § 135 Abs. 2 InsO dar, wenn der Insolvenzverwalter Lastschriften widerruft und hierdurch der Debetsaldo auf einem Konto, für das sich ein Dritter verbürgt hat, zurückgeführt wird.

 

Normenkette

InsO § 135 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 15.11.2012; Aktenzeichen 31 0 3339/12)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.02.2014; Aktenzeichen IX ZR 164/13)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 15.11.2012, Az. 31 O 3339/12, aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

5. Der Wert der Berufung wird auf 122.928,82 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger war zunächst vorläufiger Verwalter und ist nunmehr Verwalter des nach Eigenantrag vom 30.06.2009 am 01.09.2009 eröffneten Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schneid Verwaltungs GmbH (Anlage K 1 und K 17). Er nimmt die Beklagte als deren Alleingesellschafterin im Wege der Insolvenzanfechtung auf Erstattung der Rückführung eines von ihr verbürgten Kontokorrentkredits der Schuldnerin in Höhe eines Teilbetrages von EUR 122.928,82 in Anspruch.

Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin war bis zu seinem Tod am 30.12.2008 der Ehemann der Beklagten, Hans Schneid. Er wurde von der Beklagten allein beerbt, die fortan auch allein die Geschäftsführung der Schuldnerin übernahm. Die Schuldnerin unterhielt bei der Stadtsparkasse München ein Kontokorrentkonto mit der Nummer 15-117344. Hierauf war der Schuldnerin ein Kreditrahmen von EUR 130.000,00 eingeräumt worden. Hans Schneid hatte sich bereits am 06.08.2002 für Verbindlichkeiten auf diesem Konto unbeschränkt gegenüber der Sparkasse verbürgt. Zuletzt hatte er einen Verkauf der Schuldnerin beabsichtigt und sich im Zuge dieser Planungen kurz vor seinem Tod einen Gewinnvorschuss von EUR 600.000,00 aus der Gesellschaft entnommen. Dadurch stieg der Sollsaldo auf dem Kontokorrentkonto bis zum 30.12.2008 auf EUR 764.140.31 und weiter bis zum 02.01.2009 auf EUR 772.758,28 (Anlage K 12). Am 05.01.2009, dem dem 02.01.2009 folgenden Buchungstag, stornierte die Sparkasse jeweils als „Berichtigung” fünf Lastschriftabbuchungen für die Deutsche Leasing vom 02.01.2009 In einer Gesamthöhe von EUR 16.999.44 (Anlage K 12). Auf Grund der Gutschrift von EUR 109.420,46 und EUR 90.409.00 für Leistungen der Allianz Lebensversicherung fiel der Sollsaldo auf dem Kontokorrentkonto bereits am 05.01.2009 auf EUR 557.829,87, um bis zum 24.03.2009 völlig abgebaut zu werden und dann bis zum 30.06.2009 wieder auf EUR 127.557.37 anzusteigen (Anlage K 12).

Mit Beschluss vom 30.06.2009 bestellte das Insolvenzgericht den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete an, dass Verfügungen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des Klägers wirksam sind, der Kläger die Forderungen der Schuldnerin einzuziehen und die eingehenden Gelder entgegenzunehmen hat, der Kläger ermächtigt wird, über Konten der Schuldnerin zu verfügen und neue Konten auf den Namen der Schuldnerin zu eröffnen und die Schuldner der Schuldnerin aufgefordert werden, nur noch unter Beachtung dieser Anordnungen zu leisten (Anlage K 17). Daraufhin widerrief der Kläger mit Schreiben vom 27.07.2009 an die Stadtsparkasse (Anlage K 16) alle Einziehungs- und Abbuchungsaufträge sowie Abbuchungsermächtigungen für das Kontokorrentkonto, verweigerte die Zustimmung für alle in der Vergangenheit vorgenommenen und noch zu genehmigenden Lastschriften im Einzugsermächtigungsverfahren, bestimmte, dass keinerlei Verfügungen mehr auf dem Konto vorzunehmen seien, und forderte auf, Guthaben und eingehende Zahlungen auf das von ihm errichtete Insolvenzkonto zu überweisen. Gemäß ihrem Antwortschreiben vom 30.07.2009 (Anlage K 9) kehrte die Sparkasse alle Eingänge seit dem 30.06.2009 an den Kläger aus, gab die noch nicht genehmigten Lastschriften zurück, verrechnete die Gutschriften hieraus mit dem aktuellen Sollstand von EUR 131.739,78 und kündigte die Auskehr des übersteigenden Betrages von EUR 176.680,74 zum 17.08.2009 an.

Der Kläger begehrt von der Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung Rückgewähr eines Teilbetrages von EUR 122.928,82 unter Verzinsung ab Verfahrenseröffnung. Mit dem eben genannten Betrag sei neben anderen der am 02.01.2009 als angeblich höchster im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag aufgelaufene Debetsaldo von EUR 772.758,28 auf dem Kontokorrentkonto bis zur Insolvenzeröffnung vollständig zurückgeführt worden. Vom Sollstand von 772.758,28 Euro zieht er dabei zunächst die z...

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