Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungsklage gegen Aufsichtsratsbeschluss über Vorstandsbestellung
Leitsatz (amtlich)
1. Verfahrensrechtlich unter Verletzung zwingenden Gesetzes- oder Satzungsrechts zustande gekommene oder inhaltlich gegen derartiges Recht verstoßende Beschlüsse des Aufsichtsrats sind nichtig. Diese Nichtigkeit ist mit der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO geltend zu machen.
2. Ein Aufsichtsratsbeschluss ist nicht schon deshalb unwirksam, weil eine dritte Person an der Sitzung teilgenommen und den Beschluss möglicherweise beeinflusst hat.
3. Der Aufsichtsrat hat bei der Entscheidung über die Bestellung eines Vorstands ein breites, eigenes unternehmerisches Ermessen; er hat das Recht zur selbstständigen Auswahl der Vorstandsmitglieder und ist dabei keinerlei Weisungen, verbindlichen Vorschlagsrechten oder Zustimmungsvorbehalten unterworfen, sondern berechtigt und verpflichtet, eigenständig zu entscheiden.
4. § 84 Abs. 1 S. 1 AktG sieht zwar eine Höchstdauer für die Bestellung von fünf Jahren, aber keine Mindestdauer vor. Der Aufsichtsrat kann bei einer übermäßig kurzen Bestellung zwar pflichtwidrig handeln, jedoch bleibt die Bestellung dennoch wirksam.
Normenkette
ZPO §§ 80, 256; AktG § 84 Abs. 1, §§ 107, 109
Verfahrensgang
LG München II (Urteil vom 18.08.2016; Aktenzeichen 1 HK O 1441/16) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG München II vom 18.08.2016, Az. 1 HK O 1441/16, insoweit abgeändert, als der Tenor Ziff. 1 aufgehoben und die Klage insoweit abgewiesen wird.
2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von zwei Aufsichtsratsbeschlüssen.
Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft, die als einzigen Gesellschaftszweck die K von Mittenwald auf die westliche K nebst Nebenanlagen betreibt. Der Kläger ist zweiter Bürgermeister der Gemeinde Mittenwald und Aufsichtsratsmitglied. Der Aufsichtsrat besteht aus sechs Mitgliedern, Aufsichtsratsvorsitzender ist W E. R senior. Nach § 10 Abs. 3 der Satzung (Anlage K 2) fasst der Aufsichtsrat seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit, bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 2 Bezug genommen.
Am 11.12.2012 wurde W R (jun.), der Sohn des Aufsichtsratsvorsitzenden, zum Vorstand der Beklagten bestellt. Weiteres Vorstandsmitglied war bis 31.10.2015 Frau S M Herr W R (jun.) wurde vom LG Stuttgart wegen unrichtiger Darstellung, falscher Angaben und verbotener Marktmanipulation verurteilt. Die Verurteilung ist seit 27.05.2014 rechtskräftig.
Herr R (jun.) lud mit Schreiben vom 02.02.2016 (Anlage K 10) "im Auftrag des Aufsichtsratsvorsitzenden" zu einer Aufsichtsratssitzung am 23.02.2016 ein, bei der u.a. über den "Abschluss eines Beratervertrags/Vorstandsvertrags mit Herrn R und Herrn K" beschlossen werden sollte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 10 Bezug genommen. Mit Schreiben vom 15.02.2016 versandte Herr W R (jun.) den Entwurf eines Umlaufbeschlusses, mit dem Frau A befristet bis 31.10.2016 zum Vorstand der Beklagten bestellt werden sollte (Anlage K 11). Der Beschluss kam im Umlaufverfahren nicht zustande.
In der Aufsichtsratssitzung am 23.02.2016, an der alle sechs Aufsichtsräte sowie Herr W R (jun.) teilnahmen, stimmten die Aufsichtsräte über die Bestellung von Frau A K als Vorstand der Beklagten und den Abschluss eines Vertrags zwischen der Beklagten und der K AG, die 46,2 % der Aktien an der Beklagten hält, ab. Es stimmten jeweils drei Aufsichtsratsmitglieder, einschließlich des Vorsitzenden, für die Beschlussanträge, drei Aufsichtratsmitglieder, u.a. der Kläger, dagegen. Ein Protokoll der Aufsichtsratssitzung wurde nicht gefertigt.
Der Kläger ist der Ansicht, die gefassten Beschlüsse seien nichtig. Ihm seien keine ausreichenden Informationen über die Qualifikationen von Frau K und den Inhalt des Beratervertrags mit der K AG zur Verfügung gestellt worden. Frau K sei als Vorstand der Beklagten nicht hinreichend qualifiziert. Bezüglich des Beratervertrags sei schon nicht ausreichend klar, wie sich die pauschale Vergütung für welche Tätigkeiten konkret aufteile.
Der Kläger hat daher in erster Instanz beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass der in der Sitzung des Aufsichtsrates der Beklagten am 23.02.2016 gefasste Beschluss zur Bestellung von Frau A K zum Vorstand der Beklagten für den Zeitraum vom 23.02.2016 bis zum 31.10.2016 nichtig ist.
2. Es wird weiterhin festgestellt, dass der in der Sitzung des Aufsichtsrates der Beklagten am 23.02.2016 gefasste Beschluss zum Abschluss eines Beratervertrags/Vorstandsvertrages zwischen der Beklagten und der Konsortium AG nichtig ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, vor Beschlussfassung sei erläutert worden, welche Leistungen die Konsortium AG im...