Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung der Pflichten aus zusätzlichem Vertrag berechtigen zur außerordentlichen Kündigung des Versicherungsvertretervertrages
Normenkette
BGB §§ 242, 666; HGB § 86 Abs. 2, § 89a Abs. 1, § 92 Abs. 2; ZPO § 254
Verfahrensgang
LG Landshut (Urteil vom 06.08.2015; Aktenzeichen 74 O 649/14) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Landshut vom 06.08.2015, Az. 74 O 649/14, abgeändert wie folgt:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 1.11.2013 bis 22.12.2013 ("Berichtszeitraum") Auskunft darüber zu erteilen,
a) wie die aktuelle Kundenstruktur der Kunden der Beklagten gestaltet war und welche Perspektiven und Risiken sich aus Sicht der Beklagten hieraus für ihre Vermittlungstätigkeit für die Klägerin ergaben.
b) welche Verträge die Beklagte im Berichtszeitraum vermittelt hat, unter Angabe des Vertragsgegenstandes sowie Namen und Anschrift des Kunden sowie des Produktgebers (z.B. Versicherungsgesellschaft).
c) welche Kunden die Beklagte im Berichtszeitraum besucht hat, unter Angabe des Namens und der Anschrift der betreffenden Kunden sowie des Grundes für den Besuch einschließlich einer Einschätzung der Beklagten, wie die besuchten Kunden im Hinblick auf mögliche zukünftige Abschlüsse einzuordnen sind.
d) ob und zu welchen Kunden der Beklagten in Bezug auf die von ihr vermittelten Kunden Informationen vorlagen, wonach Zweifel an deren Bonität bestanden.
e) ob die Beklagte im Berichtszeitraum offizielle oder inoffizielle Abreden hinsichtlich künftiger Abschlüsse getroffen hat.
f) ob die Beklagte im Berichtszeitraum gegenüber Kunden oder Wettbewerbern geschäftsbezogene Gefälligkeiten erbracht hat, die zu zukünftigen Abschlüssen führen könnten.
g) welche Werbemethoden die Beklagte im Berichtszeitraum angewandt hat und welchen Erfolg diese hatten.
h) ob es bei der Beklagten persönliche Umstände gab, die Auswirkungen auf deren Tätigkeit als Handelsvertreter für die Klägerin hatten, insbesondere Krankheiten und sonstige Gründe für Ausfallzeiten.
i) welche Meinungen und Wünsche deren Kunden ihr gegenüber in Bezug auf ihre Tätigkeiten und/oder die Klägerin geäußert haben.
j) ob und ggf. wie sich nach Einschätzung der Beklagten die Kundeninteressen maßgeblich verändert haben.
k) ob der Beklagten Aktivitäten von Wettbewerbern bekannt sind, die Einfluss auf deren Vermittlungstätigkeit hatten und/oder besonders erfolgreich waren.
l) ob die Beklagte Ideen oder Anregungen hatte, durch die ihre Vermittlungstätigkeit verbessert oder die vertriebenen Produkte für die Kunden hätten attraktiver werden können.
m) ob der Beklagten bei den im Berichtszeitraum erfolgten Kündigungen, Stornierungen oder anderweitigen Vertragsbeendigungen bezüglich der von der Beklagten für die Klägerin vermittelten Verträge jeweils der Grund für die Kündigung, Stornierung bzw. anderweitige Vertragsbeendigung bekannt ist, welche Gründe dies im jeweiligen Fall waren und welche Maßnahmen die Beklagte im Einzelfall unternommen hat, um die Kündigung, Stornierung bzw. anderweitige Vertragsbeendigung durch den Kunden zu verhindern.
n) welche Informationen die Beklagte hatte, dass von ihr für die Klägerin vermittelte Kunden, die im Berichtszeitraum einen oder mehrere der vermittelten Verträge gekündigt, storniert oder anderweitig beendet haben, zu Wettbewerbern der Klägerin wechseln wollten oder bereits gewechselt waren.
o) inwieweit die Beklagte bei von ihr für die Klägerin vermittelten Kunden, die im Berichtszeitraum einen oder mehrere der vermittelten Verträge gekündigt, storniert oder anderweitig beendet haben, in irgendeiner Weise an diesen Kündigungen, Stornierungen oder anderweitigen Vertragsbeendigungen mitgewirkt, diese verursacht oder darauf hingewirkt hatte.
2. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen und wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 95 %, die Beklagte 5 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die andere Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 25.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten nach Beendigung des zwischen ihnen bestehenden Versicherungsvertretervertrags über Auskunft und Schadensersatzansprüche der Klägerin und über die Wirksamkeit der von der Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung.
Die Klägerin vermittelt über Unterversicherungsvertreter an Privatkunden Finanz- und Versicherungsprodukte. Die Beklagte war seit 01.02.2011 für die Klägerin als selbstständige Versicherungsvertreterin tätig und vertrieb für diese vornehmlich Versicherungen und Finanzprodukte gemäß Vertrag vom 03./04.02.2011 (Anlage K 1). Im April 2013 schlossen die Parteien eine "Vereinbarung zur Nutzung des VOB Porta...