Leitsatz (amtlich)
1. Der zur Rückgewinnungshilfe angeordnete und vollzogene strafprozessuale dingliche Arrest ist mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das arretierte Vermögen aufzuheben, da er hierdurch seine "Platzhalterfunktion" für die Ansprüche der durch die Straftat Geschädigten nicht mehr erfüllen kann. Dies gilt unabhängig davon, ob die Geschädigten selbst bereits insolvenzfeste Sicherheiten erlangt haben oder nicht.
2. Die Vorschriften über den staatlichen Auffangrechtserwerb rechtfertigen im Fall der Schuldnerinsolvenz keine Aufrechterhaltung der durch Vollzug des strafprozessualen dinglichen Arrests für den Staat begründeten Pfändungspfandrechte.
3. Eine aufgrund der strafprozessualen dinglichen Arrestanordnung auf dem Rechtshilfeweg im Ausland erreichte Kontensperrung führt in der Regel nicht zum Entstehen eines Pfändungspfandrechts des Staates.
4. Kommt eine Rückgewinnungshilfe infolge Schuldnerinsolvenz nicht mehr in Betracht, kann die strafprozessuale dingliche Arrestanordnung nicht mehr als Grundlage einer im Ausland erreichten Sicherung von Vermögenswerten dienen. Dies gilt selbst dann, wenn der Insolvenzverwalter ein eigenes Interesse an der weiteren Sicherung hat, bis er selbst im Wege der Rechtshilfe auf die ausländischen Vermögenswerte zugreifen kann.
5. Eine gegen die Ablehnung der Anträge von Geschädigten auf Zulassung der Arrestvollziehung gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist unzulässig.
Normenkette
InsO § 39 Abs. 1 Nr. 3, §§ 49, 50 Abs. 1, § 80 Abs. 2, §§ 88, 89 Abs. 1, §§ 90, 130-131; ZPO §§ 804, 930; StGB § 73 Abs. 1, 3, §§ 73a, 304 Abs. 1; StPO § 111b Abs. 1-2, 5, § 111c Abs. 3, 5, § 111d Abs. 1-2, § 111g Abs. 1-3, § 111i Abs. 3, 5
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 06.09.2012; Aktenzeichen 12 KLs 507 Js 1612/10) |
Tenor
I.
Die gegen Nr. I des Beschlusses des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 6. September 2012 gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth wird insoweit als unzulässig verworfen, als mit ihr beantragt wird, die Nr. I des genannten Beschlusses dahin zu ändern, dass die Aufhebung des dinglichen Arrestes in das Vermögen der X AG i.L., H... (Schweiz) nur mit Wirkung zum 13. September 2011 erfolgen soll. Im Übrigen wird die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth als unbegründet verworfen.
II.
Die gegen Nr. I des Beschlusses des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 6. September 2012 gerichtete Beschwerde des Insolvenzverwalters über das Vermögen der X AG i.L., H... (Schweiz) wird als unzulässig verworfen.
III.
Die gegen Nr. II des Beschlusses des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 6. September 2012 gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth wird als unzulässig verworfen.
IV.
Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der X AG i.L. hat die Kosten seiner Beschwerde zu tragen.
Gründe
A.
Der Angeklagte H... K... ist Präsident, der Angeklagte K... Z... ist Vizepräsident der mittlerweile in Insolvenz befindlichen X AG i.L. mit Sitz in H... (Schweiz). Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth legt (verkürzt dargestellt) in der Anklageschrift vom 25.3.2012 den beiden sowie weiteren elf Angeklagten zur Last, auf der Grundlage eines gemeinsam gefassten Entschlusses zur fortgesetzten Tatbegehung in der Zeit vom November 2009 bis November 2010 in insgesamt 1.547 Fällen Kapitalanleger durch bewusst wahrheitswidrige Angaben und falsche Versprechungen zum Kauf von sogenannten Blockheizkraftwerken zur Sicherung einer dauerhaften Erwerbsquelle veranlasst zu haben, um den Großteil der in der Folge bezahlten Kaufpreise ohne Gegenleistung für sich zu vereinnahmen.
Mit Beschluss vom 2.12.2010 (Az. 58 Gs 20158 - 20177/10) hat das Amtsgericht Nürnberg - Ermittlungsrichter - (künftig: Amtsgericht) gemäß § 111b Abs. 2 und Abs. 5, §§ 111d, 111e Abs. 1 StPO i.V.m. § 73 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 2, § 73a StGB sowie § 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, Abs. 5, § 25 Abs. 2, § 53 StGB zur Sicherung der den Verletzten aus der Straftat erwachsenen zivilrechtlichen Ansprüche für den Freistaat Bayern, vertreten durch die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth - Gläubiger - den dinglichen Arrest in Höhe von 52.507.261 € in das Gesellschaftsvermögen der X AG, ..., CH-... H... - Schuldner - angeordnet. Diese Maßnahme gründet sich (verkürzt dargestellt) auf den Verdacht, dass die X AG von den Angeklagten H... K...und Z... (als verantwortliche Verwaltungsräte) genutzt wurde, um (vermeintlich) in betrügerischer Weise erlangte Anlagegelder ins Ausland zu transferieren. Da das Erlangte bei der Gesellschaft nicht mehr individuell vorhanden ist, habe sie nach § 73a StGB Wertersatz zu leisten. Es seien dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass zivilrechtliche Ansprüche der Verletzten gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2, § 73a StGB vorliegen. Der dingliche Arrest zur Sicherung dieser zivilrechtlichen Ansprüche sei anzuordnen, da zu befürchten sei, dass bei umfassender Kenntnis der Sach- und Rechtslage die spätere Vollstreckung dieser Ansprüche vereitelt oder wesentlich erschwer...