Leitsatz (amtlich)
Sind den Finanzbehörden steuerlich erhebliche Tatsachen bereits bekannt, können sie über diese nicht mehr gem. § 370 Abs. 1 Ziffer 2. AO in Unkenntnis gelassen werden.
Normenkette
AO § 370 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Aurich (Entscheidung vom 08.11.2017; Aktenzeichen 12 Ns 158/15) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 2. kleinen Strafkammer des Landgerichts Aurich vom 8. November 2017 im Strafausspruch mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Aurich zurückverwiesen, die auch über die Kosten der Revision zu entscheiden hat.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
Gründe
Das Amtsgericht Aurich hatte den Angeklagten am 14. September 2015 wegen versuchter Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 EUR verurteilt. Die Berufung des Angeklagten hatte zur Aufhebung des Urteils und zum Freispruch des Angeklagten geführt. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hatte der Senat mit Urteil vom 15. Mai 2017 das freisprechende Urteil des Landgerichts Aurich - 1. kleine Strafkammer - vom 23. November 2016 aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückgewiesen.
Mit Urteil vom 8. November 2017 hat nunmehr das Landgericht Aurich - 2. kleine Strafkammer - die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Aurich vom 14. September 2015 mit der Maßgabe verworfen, dass die verhängte Geldstrafe auf 25 Tagessätze zu je 30 EUR herabgesetzt wurde.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt und beantragt, das Urteil in vollem Umfang aufzuheben und ihn freizusprechen.
Die zulässige Revision hat lediglich den sich aus dem Tenor ergebenden Erfolg.
1.
Der Schuldspruch lässt im Ergebnis Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen, wobei sich aus den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen eine Tatbestandsverwirklichung allerdings nur in einem in Relation zur Auffassung des Landgerichts eingeschränkten Umfang ergibt.
a.
Das Landgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Angeklagte den Tatbestand des § 370 Abs.1 Nr.2 AO sowohl durch einen fehlenden Hinweis auf die geänderte Steuerklasse als auch durch mangelnde Angabe der tatsächlich entstandenen Fahrtkosten verwirklicht habe. Tatsächlich ist dies lediglich hinsichtlich des zuletzt genannten Verhaltens der Fall.
Nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO wird bestraft, wer die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.
Ob die Tatbestandsverwirklichung einer Steuerverkürzung durch Unterlassen voraussetzt, dass die zuständige Finanzbehörde sich in Unkenntnis von den nicht offenbarten steuerlich relevanten Tatsachen befunden hat, und deshalb das ungeschriebene Merkmal einer "Unkenntnis" der Finanzbehörde vom wahren Sachverhalt in den Tatbestand hineinzulesen ist, ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden worden. Der Senat teilt insoweit die Auffassung des Oberlandesgerichts Köln, welches die Unkenntnis als Tatbestandsmerkmal ansieht (vgl. StV 2018, 46).
Schon nach dem Wortlaut der Norm, der die Grenze einer Auslegung zum Nachteil des Angeklagten bildet, kann der Steuerpflichtige die zuständige Finanzbehörde nicht in "Unkenntnis" lassen, wenn diese in Wirklichkeit bereits über alle wesentlichen für die Steuerfestsetzung maßgeblichen Umstände informiert ist. Die Kenntnis bezogen auf den Zeitpunkt der Steuerfestsetzung schließt vielmehr den Tatbestand aus.
Auch die Zielrichtung des Gesetzes stützt diese Auffassung. § 370 Abs. 1 AO schützt das staatliche Interesse am vollständigen und rechtzeitigen Aufkommen der einzelnen Steuern (vgl. BGH NJW 1998, 1568, 1576). Eine Gefährdung des geschützten Rechtsguts bei Kenntnis der Finanzbehörde ist jedoch nicht ersichtlich. Zudem werden gemäß dem neu eingeführten § 150 Abs. 7 S. 2 AO die elektronisch übermittelten Daten als Angaben des Steuerpflichtigen angesehen, so dass insoweit auch der Tatbestand des § 370 Abs. 1 AO aufgrund der der Finanzverwaltung durch Dritte vermittelten Kenntnis ausgeschlossen sein dürfte (vgl. Dr. Webel, Anmerkung zu OLG Köln in wistra 2018, 179).
Die vom Landgericht Aurich hiergegen angeführten Bedenken teilt der Senat nicht.
Das Erfordernis der Unkenntnis führt nicht zu einer Verdopplung der objektiven Tatbestandsmerkmale, vielmehr ist die Unkenntnis der Finanzbehörde lediglich die logische Voraussetzung dafür, dass der Täter diese in Unkenntnis lassen kann.
Es entstehen auch keine Wertungswidersprüche. Allerdings hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es bei der Begehungsvariante des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO auf die Kenntnis der Finanzbehörden nicht ankommt. Hieraus kann aber nicht der Schlus...