Leitsatz (amtlich)
Die Grundsätze des BGH (Beschluss vom 16. Januar 2002 - IV ZB 20/01) zur Wechselbezüglichkeit bei der Ersatzerbeneinsetzung, sofern sie auf § 2069 BGB beruhen, sind nicht mit der Bestimmung zur Anwachsung nach § 2094 Absatz 2 BGB vergleichbar und damit nicht übertragbar.
Normenkette
BGB §§ 2069, 2094 Abs. 1, §§ 2099, 2270 Abs. 2, § 2271 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Aurich (Aktenzeichen 1 O 20/22) |
Tenor
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung unter Kostengesichtspunkten binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses.
II. Der Senat lässt sich bei seiner Absicht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:
Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
Gründe
Der Kläger ist Testamentsvollstrecker über den Nachlass des am TT.MM.1927 geborenen und am TT.MM.2021 gestorbenen BB.
Der verstorbene BB war der Lebensgefährte der am TT.MM.2019 verstorbenen Frau DD. Frau DD war vom TT.MM.1966 bis zum TT.MM.1981 verheiratet mit Herrn EE. Die Ehe blieb kinderlos. EE hatte aus erster Ehe einen CC, den Beklagten, und einen Adoptivsohn, Herrn FF.
Die Eheleute DD und EE errichteten am 16.10.1971 ein notarielles gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu alleinigen, unbeschränkten Erben einsetzten und sollte Frau DD die Überlebende sein, wurden die Söhne von Herrn EE als Erben bestimmt.
Am TT.MM.1981 verstarb Herr EE. Sein Adoptivsohn, Herr FF, verstarb am TT.MM.1995.
Am 17.08.1995 verfasste Frau DD ein handschriftliches Testament, in dem sie ihren Lebenspartner, Herrn BB, als ihren alleinigen Erben einsetzte.
Der Kläger ist der Auffassung, Herr BB sei Erbe der Frau DD geworden. Das handschriftliche Testament vom 17.08.1995 sei wirksam, weil die Erbeinsetzung der Söhne des Herrn FF nicht wechselbezüglich sei.
Das Landgericht Aurich hat die Klage des Klägers festzustellen, dass die am TT.MM.2019 in Ort1 verstorbene Frau DD von Herrn BB, nachverstorben in Ort2 am TT.MM.2021 in Ort2, allein beerbt worden ist, mit Urteil vom 05.05.2022 abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Kläger die begehrte Feststellung nicht beanspruchen könne, da die Berufung des Beklagten zum Erben im gemeinschaftlichen Testament vom 16.10.1971 eine wechselbezügliche Verfügung darstelle (§ 2270 Abs. 1 BGB). Bei der Auslegung des Testaments sei zu berücksichtigen, dass Herr EE die Erbeinsetzung seiner Ehefrau zur Alleinerbin nur im Hinblick darauf testiert haben dürfte, dass seine Söhne von Frau DD als Schlusserben eingesetzt werden und so beim zweiten Todesfall am Familienvermögen teilhaben können. Mit dem Tode des Herrn EE sei die Schlusserbeneinsetzung des Beklagten nach § 2271 Abs. 2 Hs.1 BGB bindend geworden. Die wechselbezügliche Verfügung sei auch nicht durch das Versterben des Adoptivsohnes FF anteilig gegenstandslos geworden, so dass Frau DD jedenfalls über den hälftigen Erbanteil hätte frei verfügen können.
Eine Ersatzerbenberufung sei nicht anzunehmen, da eine entsprechende Regelung im Testament nicht getroffen worden sei und die Eheleute bestimmt hätten, dass sie mehr nicht zu bestimmen hätten. Der Erbanteil des verstorbenen FF sei daher mit dessen Ableben dem Erbanteil des Beklagten angewachsen (§ 2094 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das Testament enthalte keine Anhaltspunkte, dass die Anwachsung gemäß § 2094 Abs. 3 BGB ausgeschlossen sein sollte.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht erhobenen Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.
Der Kläger führt zur Begründung aus, das Landgericht habe die Norm des § 2270 Abs. 1 BGB falsch angewendet. Das Landgericht habe nicht den Willen der Eheleute erforscht, sondern sich allein am Willen des Ehemannes orientiert. Ein objektives Interesse der Ehefrau an der getroffenen Regelung bestehe nicht. Bei der Auslegung sei vorliegend zudem nicht berücksichtigt worden, dass die Eheleute ausdrücklich einen Grund für die alleinige Erbfolge der Ehefrau im Testament angeführt haben, nämlich, dass man das Vermögen gemeinsam erarbeitet und erspart habe. Aufgrund dessen könne nicht angenommen werden, dass sich die Eheleute wechselseitig zu Alleinerben bestimmt hätte, nur weil die Berufung der Söhne des Ehemannes als Schlusserben erfolgte. Der im Testament angegebene Grund spreche vielmehr dagegen.
Falsch sei auch die Annahme, wonach dem Beklagten bei Vorversterben des FF dessen Erbteil anwachse. Es fehle sowohl ein Wille der Testierenden zu einer Ersatzerbeneinsetzung wie auch gleichermaßen zu einer Anwachsung, denn die Erklärung, mehr nicht zu bestimmen zu wollen, schließe gerade eine Anwachsung aus (§ 2094 Ab...