Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortführung eines Gewerbebetriebes durch den Zwangsverwalter, Umfang der Obliegenheiten nach § 155 ZVG
Leitsatz (amtlich)
1. Als Beteiligter am Verfahren der Zwangsverwaltung ist auch derjenige anzusehen, dem gegenüber dem Verwalter aus dem Zwangsversteigerungsgesetz herrührende Pflichten obliegen; daher hat der Verwalter für die Verletzung verwalterspezifischer Pflichten auch denjenigen gegenüber einzustehen, die formell am Verfahren nicht beteiligt sind.
2. Mit der Beschlagnahme verliert der Schuldner nur die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks, nicht auch die Rechte an seinem Gewerbebetrieb. Zum Eingriff in den Gewerbebetrieb des Schuldners hat der Zwangsverwalter keinerlei Befugnis.
3. Nur soweit zum Zwecke der Erhaltung oder ordnungsgemäßen Nutzung eine dem Schuldner demnach untersagte tatsächliche oder rechtliche Verfügung über das Grundstück erforderlich ist, wird sie als Folge der Beschlagnahme durch den Verwalter ausgeübt.
Verfahrensgang
LG Rostock (Aktenzeichen 2 O 595/17 (1)) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 30.11.2018 - 2 O 595/17 (1) - wird zurückgewiesen.
2. Die gerichtlichen Kosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Beklagten für das Berufungsverfahren tragen die Klägerin zu 1) 90% und die Klägerin zu 2) 10%; im Übrigen findet auch im Berufungsverfahren eine Kostenerstattung nicht statt.
3. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1. des Tenors bezeichnete Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem jeweiligen Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 102.529,42 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerinnen begehren vom Beklagten Schadensersatz aus seiner Tätigkeit als Zwangsverwalter. Sie machen ausdrücklich nicht die Erfüllung schuldrechtlicher Verträge geltend.
Das Landgericht Rostock hat mit Urteil vom 30.11.2018 die Klage abgewiesen. Wegen der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen, der Anträge sowie der Entscheidungsgründe nimmt der Senat auf das angefochtene Urteil Bezug.
Mit ihrer Berufung verfolgen die Klägerinnen ihre erstinstanzlichen Anträge weiter. Das erstinstanzliche Urteil sei in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht fehlerhaft.
Das Landgericht räume zwar verschiedene Pflichtverletzungen des Beklagten in seiner Zeit als Zwangsverwalter ein, verneine aber das Bestehen von Schadensersatzansprüchen, weil der Beklagte nicht schuldhaft gehandelt habe und es an der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden fehle.
Zutreffend habe das Landgericht festgestellt, dass der Beklagte den Klägerinnen gegenüber für die Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten gemäß § 154 ZVG persönlich verantwortlich sei. Hieraus ergebe sich für die Klägerinnen ein Anspruch wegen Verletzung der Pflichten gemäß § 9 ZwVwV. Das Landgericht verneine die Schadensersatzansprüche der Klägerinnen u. a. deshalb, weil die Klägerinnen in Kenntnis des Umstandes, dass der Beklagte es pflichtwidrig verabsäumt habe, von der DKB AG als betreibende Gläubigerin des Zwangsverwaltungsverfahrens rechtzeitig und ausreichend Vorschüsse anzufordern, um so die laufenden Verpflichtungen der Schuldnerin gegenüber den Klägerinnen zu decken, ihre Lieferungen fortgesetzt hätten.
Das Landgericht verkenne, dass der Beklagte den Klägerinnen mehrfach zugesichert habe, dass ihre Forderungen beglichen würden. So habe der Beklagte u.a. mit seiner E-Mail vom 27.04.2016 den Klägerinnen in Aussicht gestellt, dass sämtliche Forderungen der Klägerinnen von dem Beklagten ausgeglichen würden. Mit Schreiben vom 08.07.2016, also in dem streitgegenständlichen Zeitraum, an das AG Güstrow habe der Beklagte erklärt, weil er in seinem Zwischenbericht habe feststellen müssen, dass aufgrund hoher Betriebs-, Wartungs-, Reparatur- und Sanierungskosten nicht sämtliche Ausgaben aus der Masse gezahlt werden konnten, dass hierfür ein weiterer Vorschuss von der D. geleistet werden müsse. Noch am 26.08.2016 habe die D. während einer gemeinsamen Besprechung, an der auch der Beklagte teilgenommen habe, ihre Bereitschaft zur Zahlung eines weiteren Kostenvorschusses erklärt. Aus diesen Gründen hätten die Klägerinnen darauf vertrauen dürfen, dass der Beklagte seinen Pflichten nachkommen werde, die erforderlichen Vorschüsse von der DKB AG anzufordern. An der Zahlungsfähigkeit der D. hätten angesichts der Tatsache, dass es sich um eine deutsche Großbank gehandelt habe, keine Zweifel bestehen können.
Der Standpunkt des Landgerichts, wonach ausgehend von den Informationen über die notwendigen Investitionen, welche die Gesellschafter der Klägerinnen der D. mitgeteilt hatten, nicht anzunehmen gewesen sei, dass die D. die Zwangsverwaltung noch weiter betreiben ...