Entscheidungsstichwort (Thema)
unlauterer Wettbewerb
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 29.01.1975; Aktenzeichen 2 KfH O 240/74) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 29. Januar 1975 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Beklagten wird unter Androhung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft für jeden Fall der Zuwiderhandlung – Ordnungsgeld bis zu 500.000,– DM und Ordnungshaft
bis zu 6 Monaten, diese auch anstelle eines nicht beitreibbaren Ordnungsgeldes und zu vollstrecken am Vorstand – untersagt, dadurch für ihre Lohnsteuerberatungs tätigkeit Werbung zu treiben, daß sie Handzettel verteilt, auf denen mitgeteilt wird:
- „Gegründet 1966”,
- „Mitglied in der Bundesorganisation der Lohnsteuer beratungsvereine Deutschland e.V.”,
- „Neue Nachrichten für alle Lohnsteuerzahler”,
- „Zur Vermeidung einer Überzahlung von Lohnsteuer ist der Eintritt in die … Lohnsteuerzahler e.V. … wichtig und notwendig”,
- „Nehmen Sie teil an den Vorzügen einer Organisation, deren nachweisbare Erfolge für ihre Mitglieder schon seit über 7 Jahren so umfassend wie nur möglich vorhanden sind,”
- „Nur in einer starken Gemeinschaft kann auch der Einzelne seine Ansprüche gegenüber den Staatsorganen durchsetzen.”
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschwer der Beklagten: |
5.000,– DM. |
Tatbestand
1. Die Parteien sind eingetragene Vereine, deren satzungsmässige Aufgabe die Hilfe in Lohnsteuersachen für ihre Mitglieder gemäß § 107 a III 2 Nr. 4 b AO a.F. und § 4 Nr. 11 Steuerberatungsgesetz ist.
Mit der am 29. November 1974 bei Gericht eingegangenen Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Unterlassung von Angaben in Anspruch, die die Beklagte auf von ihr verteilten Handzetteln gemacht hat, weil diese Angaben nach Ansicht des Klägers gegen das für Lohnsteuerhilfevereine geltende Werbeverbot verstossen.
Der Kläger hat beantragt,
der Beklagten zu untersagen, dadurch für ihre Lohnsteuerberatungstätigkeit Werbung zu treiben, daß sie Handzettel verteilt, in denen mitgeteilt wird:
- „Gegründet 1966”,
- „Mitglied in der Bundesorganisation der Lohnsteuerberatungsvereine Deutschland e.V.”,
- „Neue Nachrichten für alle Lohnsteuerzahler”,
- „Zur Vermeidung einer Überzahlung von Lohnsteuer ist der Eintritt in die Interessenvereinigung der Lohnsteuerzahler e.V. … wichtig und notwendig”,
- „Nehmen Sie teil an den Vorzügen einer Organisation, deren nachweisbare Erfolge für ihre Mitglieder schon seit über 7 Jahren so umfassend wie nur möglich vorhanden sind.”,
- „Nur in einer starken Gemeinschaft kann auch der Einzelne seine Ansprüche gegenüber den Staatsorganen durchsetzen.”,
- der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Geldstrafe in unbegrenzter Höhe oder Haftstrafe bis zu 6 Monaten, letztere zu vollstrecken an ihrem Vorstand, anzudrohen.
Die Beklagte hat den Klagantrag 1 c)–f) unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt und im übrigen beantragt,
die Klage abzuweisen.
In einem diesem Verfahren vorausgegangenen Verfügungsverfahren (2 KfH O 48/74 LG Stuttgart) hatte der Kläger gegenüber der Beklagten die gleichen Ansprüche verfolgt. Auch dort hatte die Beklagte die Anträge c)–f) anerkannt, worauf die zuvor ohne mündliche Verhandlung erlassene einstweilige Verfügung aufgrund des Anerkenntnisses durch Urteil vom 10. Juni 1974 bestätigt wurde.
Dieses Urteil hat die einstweilige Verfügung auch hinsichtlich der beiden nicht anerkannten Anträge bestätigt. Die insoweit gegen das Urteil eingelegte Berufung ist mangels fristgerechter Begründung verworfen worden.
Auf den am 11. Oktober 1974 gestellten Antrag der Beklagten hat der Rechtspfleger dem Kläger zur Erhebung der Klage beim Gericht der Hauptsache Frist gesetzt bis zum 1. Dezember 1974.
2. Durch Urteil vom 29. Januar 1975 hat die 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart der Klage bezüglich der Klaganträge 1 c)–f) stattgegeben, bezüglich der Anträge 1 a) und b) abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt.
Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt:
Der Klage sei nur insoweit stattzugeben, als die Beklagte den Klaganspruch anerkannt habe. Bezüglich des Klagantrags 1 b) fehle zumindest das Rechtsschutzinteresse, weil der Kläger nicht bestritten habe, daß er selbst mit dem Hinweis auf eine Mitgliedschaft in einer Bundesvereinigung werbe. Der Hinweis der Beklagten auf das Gründungsjahr „1966” sei als zulässig anzusehen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs seien die Parteien nicht demselben Wettbewerbsverbot wie die steuerberatenden Berufe unterworfen, sondern es seien ihnen solche Maßnahmen gestattet, durch die sie ihre Existenz und die Art ihrer Dienste den in Betracht kommenden Bevölkerungskreisen bekanntmachen könnten. Es erscheine zweifelhaft, ob die Erwähnung des Gründungsjahres der Beklagten ausschließlich als Wettbewerbsmaßnahme zu werten sei und nicht als erlaubter Hinweis auf ihre Existenz zugestanden werden dürfe. Denn di...