Leitsatz
1. Ein gemeinnütziger Verein, zu dessen satzungsmäßigen Zwecken auch der Naturschutz und die Landschaftspflege gehören, begründet mit der Organisation und Durchführung der Jägerprüfung einen allgemeinen Zweckbetrieb.
2. Die Steuerbefreiung für die Organisation und Durchführung der Jägerprüfung ist keine unionsrechtlich unzulässige Beihilfe.
Normenkette
§ 14, § 65 AO, § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, § 3 Nr. 6 GewStG, Art. 107 Abs. 1, Art. 108 Abs. 3 AEUV
Sachverhalt
Der Kläger ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein. Er fördert u.a. den Naturschutz und die Landschaftspflege, den Tierschutz sowie die Aus- und Weiterbildung wie auch Maßnahmen zur Unfallverhütung und die Wahrung des Brauchtums. Diese Zwecke sollen u.a. erreicht werden durch die Hege, Sicherung und Verbesserung der natürlichen Lebensgrundlagen der heimischen Tier- und Pflanzenwelt sowie die Aus- und Weiterbildung der Mitglieder, insbesondere auf den Gebieten des Naturschutzes, der Hege, der Jagdpraxis, der Wildhygiene sowie des traditionellen Brauchtums.
Mit den unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheiden vom 13.2.2012 stellte das FA fest, dass der Kläger für die Jahre 2008 bis 2010 von der KSt und GewSt befreit ist, weil er ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen Zwecken i.S.d. §§ 51ff. AO dient. Dabei wies das FA darauf hin, dass die Körperschaft folgende gemeinnützige Zwecke fördere: Naturschutz und Landschaftspflege (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AO), Tierschutz (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 14 AO), Bildung (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO), Unfallverhütung (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 12 AO) und Brauchtum (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 23 AO).
Durch Verwaltungsakt vom xx.xx.2008 hatte das Ministerium für ... (Ministerium) dem Kläger für den Zeitraum vom 1.1.2009 bis zum 31.12.2013 die Organisation und Durchführung der Jägerprüfung im Wege der Beleihung übertragen. Die Jägerprüfung besteht aus einer Schießprüfung, einem schriftlichen und einem mündlich-praktischen Teil. Dabei müssen ausreichende Kenntnisse der Wildarten, der Wildbiologie, der Wildhege, des Jagdbetriebs, der Wildschadensverhütung, des Land- und Waldbaus, des Jagd- und Waffenrechts, der Unfallverhütungsvorschriften, der Waffentechnik, der sicheren Führung von Jagdwaffen, der Führung von Jagdhunden, in der Behandlung des erlegten Wildes unter Berücksichtigung der hygienisch erforderlichen Maßnahmen, in der Beurteilung der gesundheitlich unbedenklichen Beschaffenheit des Wildbrets und im Jagd‐, Tier‐, Naturschutz sowie im Landschaftspflegerecht nachgewiesen werden.
Für die Organisation und Durchführung der Jägerprüfungen erhob der Kläger Gebühren nach dem Gebührengesetz des Bundeslandes X sowie der Gebührenordnung des Ministeriums i.H.v. ... EUR (2008) und ... EUR (2009). Außerdem erhielt der Kläger für die Maßnahmen "Beleihung Jägerprüfung – Vorbereitung" und "Überarbeitung der Fragen für die schriftliche Jägerprüfung" Zuwendungen vom Ministerium i.H.v. ... EUR (2008) und ... EUR (2009). Sowohl die Gebühren als auch die Zuwendungen ordnete der Kläger seinem steuerfreien Zweckbetrieb zu, während er das Abhalten von Kursen in der Jagdschule, den Verkauf von Büchern, die Vermittlung von Jägerschutzbriefen und Werbeleistungen als wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb behandelte.
Nach einer Außenprüfung für die Jahre 2008 bis 2010 vertrat das FA die Auffassung, dass auch die Übernahme und Durchführung der Jägerprüfung zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Klägers gehöre. Der hiergegen gerichteten Klage gab das FG statt (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.6.2020, 10 K 10264/15, Haufe-Index 14267961, EFG 2021, 261).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Der BFH ging dabei davon aus, dass eine gemeinnützige Körperschaft zugleich mit ihrem Satzungszweck auch öffentlich-rechtlich tätig sein kann. Die Verpflichtungserfüllung gegenüber der beleihenden Körperschaft steht der Zweckbetriebseigenschaft nach § 65 AO nicht entgegen. Zudem sah der BFH in der Abnahme der Jägerprüfung eine hoheitliche Maßnahme, die – ohne Beleihung in fast allen anderen Bundesländern – von Landesbehörden wahrgenommen wird. Eine nur mittelbare Förderung der steuerbegünstigten Zwecke verneinte der BFH, da der Kläger mit der Organisation und Durchführung der Jägerprüfung gerade die Zugangsberechtigung für das naturschützende Handeln der Jäger verschafft habe.
Hinweis
1. Der BFH beschäftigt sich wieder einmal mit dem allgemeinen Zweckbetriebsbegriff des § 65 AO.
a) § 65 Nr. 1 AO erfordert, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb mit den ihn begründenden Tätigkeiten und nicht nur mit den durch ihn erzielten Einnahmen unmittelbar der Verwirklichung des steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecks dient. Die Feststellung dieser Voraussetzung bedarf einer Gesamtwürdigung anhand des objektiven Charakters der Betätigung.
b) Für die Frage, ob die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb i.S.v. § 65 Nr. 2 AO erreicht werden können, kommt es darauf an, dass si...