Leitsatz
1. Der Organträger einer ertragsteuerlichen Organschaft muss nicht bereits zu Beginn des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft gewerblich tätig sein (entgegen BMF-Schreiben vom 10.11.2005, BStBl I 2005, 1038, Rz. 21).
2. Eine Personengesellschaft, die Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung (hier: sog. unechte Betriebsaufspaltung) und ansonsten nur vermögensverwaltend tätig ist, kann Organträgerin sein.
3. Die Bestimmung des § 34 Abs. 10b Satz 2 KStG 2002 i.d.F. des UntSt/RKVereinfG ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen die rückwirkende steuerliche Anerkennung von (Alt-)Gewinnabführungsverträgen, die keinen den Anforderungen des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 in der bis dahin geltenden Fassung entsprechenden Verweis auf § 302 AktG (Verlustübernahme) enthalten hatten. Sie ist anwendbar, wenn der Gewinnabführungsvertrag unvollständig auf § 302 AktG verwiesen, einen unzureichenden eigenständigen Text oder überhaupt keine Regelung zur Verlustübernahme enthalten hatte.
Normenkette
§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2, § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 i.d.F. des StVergAbG, § 17 Satz 2 Nr. 2, § 34 Abs. 10b Sätze 2 und 3 KStG 2002 i.d.F. des UntSt/RKVereinfG, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 EStG 2002
Sachverhalt
Im November 2005 erwarb die S-KG den (einzigen) an der Klägerin, einem Herstellungsbetrieb in der Rechtsform einer GmbH, bestehenden Geschäftsanteil. Mit Vertrag vom 5.12.2005 schlossen die Klägerin und die S-KG einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, demzufolge die Klägerin die Leitung ihrer Gesellschaft der S-KG unterstellte und sich verpflichtete, ihren ganzen Gewinn an diese abzuführen. Zur Verlustübernahme enthielt der Vertrag in § 3 u.a. folgende Regelung:
"Die (KG) ist entsprechend den Vorschriften des § 302 Abs. 1 und 3 AktG verpflichtet, jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit er nicht dadurch ausgeglichen wird, dass den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind."
Der Vertrag wurde am 22.12.2005 ins Handelsregister eingetragen.
Zum 1.3.2006 verkaufte die Klägerin ihren gesamten Geschäftsbetrieb an die S-KG, mietete diesen jedoch sogleich wieder von der S-KG zurück.
In ihrer KSt-Erklärung für das Streitjahr 2006 erklärte die Klägerin Einkünfte von 960.878 EUR, die der S-KG als Organträgerin zuzurechnen seien. Das FA war demgegenüber der Auffassung, es habe im Streitjahr kein wirksames Organschaftsverhältnis bestanden, weil die S-KG zu Beginn des Wirtschaftsjahrs der Klägerin noch nicht gewerblich tätig gewesen sei; sie habe zum 1.1.2006 lediglich die Beteiligung an der Klägerin gehalten und sei damit zu diesem Zeitpunkt ausschließlich vermögensverwaltend tätig gewesen. Das FA erließ einen entsprechenden Änderungsbescheid, in dem es die zuvor auf 0 EUR festgesetzte KSt auf 195.076 EUR festsetzte.
Die deswegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg (FG Münster, Urteil vom 23.2.2012, 9 K 3556/10 K,G, EFG 2012, 1589).
Entscheidung
Der BFH urteilte hingegen anders: Dass die S-KG im Laufe des Wirtschaftsjahres als Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung gewerblich "geworden" sei, genüge den Anforderungen von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Allerdings erfülle der Gewinnabführungsvertrag nicht die formalen Anforderungen von § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG an die Verlustübernahmeverpflichtung. Dass das FA das nicht beanstandet habe, sei unbeachtlich. Jedoch ermögliche die sog. Kleine Organschaftsreform, die das UntSt/RKVereinfG jüngst gebracht habe, eine rückwirkende Heilung dieses Mangels.
Hinweis
1. Das neuerliche Urteil des BFH zur Organschaft bringt in zweierlei Hinsicht "Erleichterungen":
Zum einen lockert es die verwaltungsseitig eingeforderten Voraussetzungen für die Gewerblichkeit einer Organträger-Personengesellschaft.
Und zum anderen zeigt es auf, dass und ggf. wie eine verunglückte Verlustübernahme im Ergebnisabführungsvertrag denn doch noch geheilt werden kann. Letzteres ist insofern topaktuell, als eine Heilungsmöglichkeit erst soeben im Rahmen der sog. Kleinen Organschaftsreform geschaffen worden ist; das Urteil des BFH konnte bereits darauf eingehen, weil die zu der Neuregelung geschaffenen einschlägigen Überleitungsvorschriften eine Verschonung gerade für Alt-Verträge vorsehen.
2. Aber zunächst zum ersten: Der Zeitpunkt, im oder ab welchen eine Organträger-Personalgesellschaft gewerblich tätig sein muss. Die Finanzverwaltung verlangt eine solche Gewerblichkeit vom ersten Tag der Organschaftsbeziehung an (BMF-Schreiben vom 10.11.2005, BStBl I 2005, 1038, Tz. 21). Dem BFH genügt es, wenn die Organträger-Personengesellschaft irgendwann im Laufe des Wirtschaftsjahres gewerblich "wird":
Das Gesetz enthält dazu in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG zwar keine klare Aussage; es verlangt lediglich, dass eine Gewerblichkeit gegeben ist. Der systematische Zusammenhang gibt trotzdem einen hinlänglichen Fingerzeig. Denn für das weitere Erfordernis der finanziellen Eingliederu...