Entscheidungsstichwort (Thema)
Eröffnung eines Insolvenzverfahrensüber das Vermögen eines Gewerbetreibenden als Hinweis auf ungeordnete Vermögensverhältnisse und Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden. Sperrwirkung des§12 Gewerbeordnung (GewO) bei gewerbebezogenen und in engem Zusammenhang mit wirtschaftlichen Unzulänglichkeiten stehenden Verstößen eines Gewerbetreibenden gegen Verhaltensvorschriften. Annahme einer wirtschaftlichen Unzulänglichkeit bei Fortsetzung einer gewerblichen Tätigkeiten nach einer insolvenzrechtlichen Freigabeerklärung und Verstößen gegen steuerrechtliche Erklärungspflichten
Leitsatz (amtlich)
1. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gewerbetreibenden ist in der Regel Ausdruck ungeordneter Vermögensverhältnisse und damit auch seiner Unzuverlässigkeit.
2. Verstöße eines Gewerbetreibenden gegen Verhaltensvorschriften unterfallen der Sperrwirkung des § 12 GewO, wenn sie gewerbebezogen sind und in einem engen Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Unzulänglichkeiten stehen, die das Insolvenzverfahren ausgelöst haben.
3. Ein solcher Zusammenhang besteht nicht, wenn ein Gewerbetreibender bei der Fortsetzung seiner gewerblichen Tätigkeit im Anschluss an eine Freigabeerklärung nach § 35 Abs. 2 GewO gegen seine steuerrechtlichen Erklärungspflichten verstößt.
Normenkette
GaststättenG § 4 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 1-2; GewO §§ 12, 35 Abs. 2; InsO § 35 Abs. 2, § 295
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird die Klage unter teilweiser Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2010 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Trier abgewiesen, soweit sie gegen die unter Ziffer I des Bescheids des Beklagten vom 13. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2009 ausgesprochene Gewerbeuntersagung gerichtet ist.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine Gewerbeuntersagungsverfügung. Er betreibt in S. ein China-Restaurant, das er im Jahre 2000 als Schank- und Speisewirtschaft gewerberechtlich angemeldet hat. Die ihm hierfür erteilte Gaststättenerlaubnis wurde Ende des Jahres 2005 aufgehoben. In der Folgezeit wurde ihm mit Wirkung vom 22. Februar 2006 eine bis zum 31. August 2006 befristete vorläufige Erlaubnis erteilt.
Im August 2003 beantragte die „AOK – Die Gesundheitskasse in Rheinland-Pfalz” beim Amtsgericht Bitburg die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers. Mit Beschluss vom 20. Mai 2008 – 9 IN 57/07 – eröffnete das Amtsgericht Bitburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers und bestellte eine Insolvenzverwalterin. Diese teilte dem Kläger durch Schriftsatz vom 4. Juni 2008 mit, die Fortführung seines Unternehmens zu Lasten der Masse sei nicht rentabel. Gemäß § 35 Abs. 2 der Insolvenzordnung – InsO – erkläre sie daher, dass Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit nicht zur Insolvenzmasse gehöre und Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren nicht geltend gemacht werden könnten. Die Erklärung wurde dem Insolvenzgericht am 5. Juni 2008 übermittelt und von ihm öffentlich bekannt gemacht.
Nach vorheriger Anhörung untersagte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 13. Januar 2009 die Ausübung des Gewerbes „Schank- und Speisewirtschaft” sowie die Ausübung einer Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person und die selbständige Ausübung aller Gewerbe, wobei sie ihm zur Abwicklung der laufenden Geschäfte eine Frist bis zum 15. Januar 2009 einräumte (Ziffer I). Für den Fall der Nichtbefolgung der Verfügung innerhalb der gesetzten Frist wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht (Ziffer II). Zudem ordnete der Beklagte die sofortige Vollziehung der Gewerbeuntersagung an (Ziffer III). Begründet wurde die Entscheidung im Wesentlichen damit, der Kläger sei unzuverlässig im Sinne des § 35 der Gewerbeordnung – GewO –, da er seinen steuerlichen Pflichten und seinen Pflichten zur Leistung öffentlich-rechtlicher Abgaben in erheblichem Umfang nicht nachgekommen sei, Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt habe und eine mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bestehe. Da sich seine Unzuverlässigkeit nicht auf das ausgeübte Gewerbe beschränke, sei eine umfassende Gewerbeuntersagung geboten.
Den Widerspruch des Klägers wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 2009 als unbegründet zurück.
Auf die vom Kläger fristgerecht erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides durch Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2010 aufgehoben. Der Kläger sei zwar als unzuverlässig anzusehen, die Untersagung des von ihm ausgeübten Gewerbes verstoße jedoch gegen § 12 GewO, da das Insolvenzverfahren bereits zuvor eröffnet worden sei. Hinsichtlich ...