Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Pauschale Zuschläge, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf die Höhe der tatsächlich erbrachten Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit an den Arbeitnehmer leistet, sind nur dann nach § 3b EStG begünstigt, wenn sie nach dem übereinstimmenden Willen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Abschlagszahlungen oder Vorschüsse auf eine spätere Einzelabrechnung gem. § 41b EStG geleistet werden.
2. Diese Einzelabrechnung zum jährlichen Abschluss des Lohnkontos ist grundsätzlich unverzichtbar.
3. Auf sie kann im Einzelfall nur verzichtet werden, wenn die Arbeitsleistungen fast ausschließlich zur Nachtzeit zu erbringen und die pauschal geleisteten Zuschläge so bemessen sind, dass sie auch unter Einbeziehung von Urlaub und sonstigen Fehlzeiten aufs Jahr bezogen die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllen.
Normenkette
§ 3b, § 41b Abs. 1 Satz 1, § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG
Sachverhalt
Arbeitgeberin K gewährte ihren Arbeitnehmern Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit steuerfrei durch monatlich gleichbleibende Zahlungen. Das FA erkannte wegen fehlender Aufzeichnungen die Steuerfreiheit dieser pauschalen Zahlungen nicht an und erließ einen LSt-Haftungsbescheid. Die Klage blieb erfolglos (Niedersächsisches FG, Urteil vom 17.12.2010, 11 K 15/10, Haufe-Index 2711731, EFG 2011, 1555).
Entscheidung
Der BFH bestätigte mit den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen das Urteil der Vorinstanz.
Hinweis
1.§ 3b Abs. 1 EStG ist eindeutig: Steuerfrei sind Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit (SFN) nur, wenn sie für tatsächlich geleistete SFN-Arbeit gezahlt werden. Die privilegierten Zuschläge sind daher von nicht steuerbefreiten allgemeinen Lohnzuschlägen abzugrenzen. Dazu sind grundsätzlich Einzelaufstellungen der zu diesen Zeiten tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden erforderlich. Es genügt nicht, die SFN-Arbeit nur allgemein pauschaliert abzugelten. Denn so lässt sich nicht feststellen, ob zu den begünstigten Zeiten die Arbeit tatsächlich und mit welchen konkreten Zuschlägen geleistet worden war.
2. Das bedeutet für die Aufzeichnung und Abrechnung: Pauschale Zuwendungen sind vorab zwar als Abschlag/Vorschuss möglich, aber die Einzelabrechnung muss nachfolgen. Die Zuschläge sind vor der Erstellung der LSt-Bescheinigung, also regelmäßig spätestens zum Ende des Kalenderjahrs, zu berechnen. Hat danach der Arbeitnehmer weniger zuschlagspflichtige Stunden geleistet, sind die überschießenden Pauschalzahlungen steuerpflichtiger Lohn. Gerade erst hatte dazu der Senat entschieden (BFH, Urteil vom 16.12.2010, VI R 27/10, BFH/NV 2011, 683, BFH/PR 2011, 166); jetzt schreibt er die Mindestvoraussetzung ausdrücklich fest: Eine jährliche Abrechnung mit Abschluss des Lohnkontos (§ 41b Abs. 1 Satz 1 EStG) ist grundsätzlich unverzichtbar. Ausnahme: Die Pauschalzahlungen für tatsächlich erbrachte Nachtarbeit sind so bemessen, dass sie auch unter Einbeziehung von Urlaub und sonstigen Fehlzeiten aufs Jahr bezogen die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllen (BFH, Urteil vom 22.10.2009, VI R 16/08, BFH/NV 2010, 201).
3. Hier zahlte K zwar Zuschläge neben dem Grundlohn, aber pauschal, ohne Abrechnung zum Jahresende und unabhängig davon, welche Arbeitnehmer gearbeitet hatten. Der Ausnahmefall, dass die Arbeitnehmer fast ausschließlich zur Nachtzeit tätig waren, lag auch nicht vor. Denn dazu genügt insbesondere nicht, dass aufgrund von "Erfahrungswerten" die Voraussetzungen der Steuerfreiheit möglicherweise erfüllt sein könnten. Und auch aus dem BFH-Urteil vom 28.11.1990 (VI R 56/90, Haufe-Index 63158, BStBl II 1991, 298) konnte nichts anderes folgen. Denn dort war streitig, ob die Stundenzahl tatsächlich gearbeitet worden war. Wenn die Abrechnung selbst bezweifelt wird, kann das letztlich nur durch Zeugen- oder sonstigen Beweis belegt werden. Aber: die erforderliche Abrechnung als solche kann nicht durch andere Beweismittel ersetzt werden.
4. Beratungshinweis: Zu empfehlen ist ein arbeitnehmerbezogener Aufschrieb der SFN-Arbeit. Denn nur so können die Zuschläge der tatsächlich geleisteten SFN-Arbeit sicher zugeordnet werden und in den relativen Grenzen (maximal 150 %) und absoluten Grenzen (Grundlohn 50 EUR/Std.) Steuerfreiheit genießen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 8.12.2011 – VI R 18/11