Kommentar
Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für die Berufsausbildung eines Kindes, das das 18. Lebensjahr vollendet hat und auswärtig untergebracht ist, wird auf Antrag ein Ausbildungsfreibetrag in Höhe von 4.200 DM vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen
( § 33a Abs. 2 Nr. 2 EStG ). Für die Berufsausbildung wird eine weitere Steuerermäßigung grundsätzlich nicht gewährt ( § 33a Abs. 5 EStG , § 33 EStG ). Diese pauschalierende Berücksichtigung der Kosten für die Berufsausbildung ist verfassungsgemäß; der Abzug nur des Ausbildungsfreibetrages bewirkt keine aus verfassungsrechtlichen Gründen zu geringe Steuerentlastung von Steuerpflichtigen mit auswärtig untergebrachten volljährigen Kindern in Ausbildung.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG darf der Staat dem Bürger zwar sein erzieltes Einkommen nicht insoweit entziehen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird (sog. Existenzminimum; BVerfG, Beschluß v. 29. 5. 1990, 1 BvL 20, 26/84 und 4/86, BStBl 1990 II S. 653). Entsprechendes gilt für das sog. Existenzminimum der Familienmitglieder, für deren Unterhalt und Ausbildung der Steuerpflichtige aufkommt. In Fortführung dieser Rechtsprechung hat jedoch das BVerfG entschieden, daß Unterhaltsleistungen, die einem Kind eine Berufsausbildung mit einer auswärtigen Unterbringung ermöglichen sollen, nicht zum (Familien-) Existenzminimum gehören, weil sie nicht der Existenzsicherung im engeren Sinne, d. h. der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins dienen (BVerfG, Beschluß v. 26. 1. 1994, 1 BvL 12/86, BStBl 1994 II S. 307). Die an der vorgenannten Entscheidung des BVerfG geübte Kritik sei nicht gerechtfertigt und könne daher den BFH nicht veranlassen, die Regelung des § 33a Abs. 2 Nr. 2 EStG dem BVerfG erneut zur Prüfung vorzulegen ( Art. 100 GG ; Ausbildungsfreibetrag ; Außergewöhnliche Belastung ).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.05.1997, III R 4/96
Zur Erläuterung:
§ 33a Abs. 2 EStG regelt typisierend und abschließend die steuermindernde Wirkung von Berufsausbildungskosten bei den Unterhaltspflichtigen. Für die in § 33a Abs. 2 EStG geregelten Berufsausbildungskosten kann also eine weitere Steuerermäßigung weder an Stelle des § 33a Abs. 2 EStG noch über den dort vorgeschriebenen Rahmen hinaus nach § 33 EStG in Anspruch genommen werden. Eine Ausnahme gilt nur für Krankheitskosten , die zusätzlich als außergewöhnliche Belastung allgemeiner Art berücksichtigt werden dürfen, etwa die Kosten einer krankheitsbedingten Internatsunterbringung.
Das vorstehend mitgeteilte BFH-Urteil betrifft § 33a Abs. 2 Nr. 2 EStG in der für die Jahre 1991 bis 1993 geltenden Fassung. Eine abweichende Entscheidung ist jedoch auch für die Kalenderjahre bis 1997 nicht zu erwarten. Zwar könnte man m. E. in dem Beschluß des BVerfG v. 26. 1. 1994 auch eine Einschränkung, nicht wie der BFH meint, eine bloße Fortentwicklung der Grundsätze des vorausgegangenen Beschlusses des BVerfG v. 29. 5. 1990 sehen.
Aber wie immer man diese Entscheidung des BVerfG auch werten will, eine Entscheidung dahingehend, daß die typisierende und pauschalierende Regelung in § 33a Abs. 2 EStG verfassungswidrig sei, ist gegenwärtig nicht zu erwarten. Steuerpflichtige, die höhere Aufwendungen, insbesondere auch für die auswärtige berufliche Ausbildung ihrer Kinder auf sich nehmen, müssen sich darauf einstellen, daß es bis auf weiteres bei den Pauschbeträgen bleibt, nämlich solange der Gesetzgeber nicht selbst eine m. E. wünschenswerte Initiative zu deren Erhöhung ergreift.