Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
Die pauschale Ermittlung von Investmentfondserträgen nach § 6 Abs. 1 InvStG, die vom Steuerpflichtigen durch den Nachweis der tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen nach § 6 Abs. 2 InvStG abgewendet werden kann, verstößt nicht gegen Unionsrecht und ist auch mit dem Grundgesetz vereinbar.
Normenkette
§ 5 Abs. 1, § 6, § 22a Abs. 2 InvStG
Sachverhalt
Die Kläger erzielten Einkünfte aus sog. "intransparenten" ausländischen Investmentfonds nach § 6 InvStG in der zum 31.12.2017 geltenden Fassung. Da die Investmentfonds die Besteuerungsgrundlagen nicht gemäß § 5 InvStG den Klägern bekannt gaben, erklärten diese ihre Erträge im Wege der Schätzung i.H.v. jeweils 1,7 %, 2 % bzw. 3 % der Depotwerte zum 31. Dezember eines jeden Jahres. Das FA folgte dem nicht und ermittelte die Erträge unter Anwendung des § 6 InvStG, indem es 70 % des Differenzbetrags zwischen dem ersten und dem letzten Marktpreis bzw. mindestens 6 % des letzten Marktpreises der Fondsanteile in den Streitjahren 2004 bis 2008 als Einkünfte zugrunde legte. Der Einspruch der Kläger blieb erfolglos. Mit der hiergegen erhobenen Klage machten sie geltend, dass die Anwendung des § 6 InvStG gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV verstoße. Aufgrund des vom FG eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahren entschied der EuGH mit Urteil vom 9.10.2014 (a.a.O.), dass es dem Steuerpflichtigen auch bei sog. intransparenten Investmentfonds im EU-Ausland möglich sein müsse, die tatsächliche Höhe seiner Einkünfte nachzuweisen. Inhalt und Form des Nachweises seien von der Finanzverwaltung zu bestimmen, um dieser eine ordnungsgemäße Besteuerung zu ermöglichen.
Daraufhin legten die Kläger zum Nachweis der tatsächlich erzielten Erträge Jahresberichte und ‐abschlüsse der (thesaurierenden) Fonds vor. Das FG sah dies nicht als ausreichend an und wies die Klage ab (FG Düsseldorf, Urteil vom 3.11.2016, 16 K 3383/10 F, Haufe-Index 10077734, EFG 2016, 2076).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision der Kläger als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Auch Erträge aus intransparenten Investmentfonds führen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 InvStG zu Einkünften aus Kapitalvermögen. Zwar sind nach dem Einleitungssatz in § 5 Abs. 1 Satz 1 InvStG die §§ 2 und 4 InvStG nur anzuwenden, wenn der Fonds die in Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Vorschrift angeführten Bekanntmachungs- und Veröffentlichungspflichten erfüllt. Wie der BFH bereits in seiner Entscheidung vom 17.11.2015 (BFH, Urteil vom 17.11.2015, VIII R 27/12, BFH/NV 2016, 467, BFH/PR 2016, 166) geklärt hat, ist diese Vorschrift jedoch nicht so zu verstehen, dass die Besteuerung von Einkünften aus intransparenten Fonds ausschlossen wird. Dies war vom Gesetzgeber erkennbar nicht gewollt.
2. Der Nachweis der notwendigen Besteuerungsgrundlagen bestimmt sich im Streitfall nach § 6 Abs. 2 InvStG. Diese Vorschrift wurde als Reaktion auf die Entscheidung des EuGH vom 9.10.2014 (EuGH, Urteil vom 9.10.2014, C‐326/12, van Caster, BFH/NV 2014, 2029, EU:C:2014:2269) eingeführt und ist nach § 22a Abs. 2 InvStG auf alle Fälle anzuwenden, bei denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist. Sie findet daher auch im Streitfall Anwendung.
3.§ 6 Abs. 2 InvStG ist auch auf thesaurierende Investmentfonds anzuwenden. Zwar nimmt die Vorschrift Bezug auf Bekanntmachungs- und Veröffentlichungspflichten für ausschüttende Fonds. Diese gelten nach Auffassung des BFH aber auch für den Nachweis der Erträge aus thesaurierenden Fonds.
4. Danach hätten die Kläger nach § 6 Abs. 2 InvStG die Besteuerungsgrundlagen i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG mit Ausnahme der Buchst. c und f erklären und die Richtigkeit der Angaben vollständig nachweisen müssen. Vorliegend fehlte es schon an einer entsprechenden Erklärung der Besteuerungsgrundlagen. Insbesondere zum Betrag der ausschüttungsgleichen Erträge gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. Nr. 2 InvStG hatten die Kläger keine Angaben gemacht, sondern lediglich das nach den Jahresberichten auf ihre Fondsanteile entfallende Nettoergebnis mitgeteilt. Dies ist gemäß § 6 Abs. 2 InvStG nicht ausreichend, sodass es auf die Frage, ob die Angaben hinreichend nachgewiesen wurden, vorliegend nicht ankam.
5. Der Umstand, dass den Klägern aufgrund fehlender Informationen des Investmentfonds nicht möglich war, die nach § 6 Abs. 2 InvStG erforderlichen Mindestangaben zu machen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit werden die Inhaber von Anteilen an ausländischen Investmentfonds nicht schlechter gestellt als bei einer Beteiligung an einem inländischen Investmentfonds, der seinen Bekanntmachungspflichten nicht nachkommt. Dies ist, wie der EuGH in seinem Urteil vom 9.10.2014 (a.a.O.) entschieden hat, mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar, um eine ordnungsgemäße Besteuerung nach innerstaatlichem Recht zu gewährleisten.
6. Eine individuelle Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AOscheidet aus. Kommt ein Investmentfonds seinen Bekanntmachungs- und Ve...