Prof. Dr. Dr. Carl-Christian Freidank
Rz. 50
Für steuerpflichtige Einzel- oder Mitunternehmer besteht die Möglichkeit, nicht entnommene (thesaurierte) Gewinne auf Antrag mit einem begünstigten Steuersatz von 28,25 % gem. § 34a Abs. 1 EStG zu versteuern. Ziel der Thesaurierungsbegünstigung ist es, die Belastung der Gewinneinkünfte von Personenunternehmen an die von Kapitalgesellschaften anzugleichen und somit die Eigenkapitalbasis der Unternehmen zu stärken. Werden die begünstigt besteuerten thesaurierten Gewinne zu einem späteren Zeitpunkt entnommen, sind diese mit einem Nachversteuerungstarif, der sich an der für die Dividenden geltende Abgeltungssteuer orientiert, i. H. v. 25 % zu versteuern.
Rz. 51
Den Ausgangspunkt zur Ermittlung des nicht entnommenen (begünstigungsfähigen) Gewinns nach § 34a Abs. 2 EStG bildet der (anteilige) laufende Gewinn der Steuerbilanz, vermindert um den positiven Saldo aus Entnahmen abzüglich Einlagen des Wirtschaftsjahrs. Sofern die Entnahmen den Einlagen entsprechen oder die Einlagen die Entnahmen übersteigen, kann der Thesaurierungstarif für den vollen Gewinn beansprucht werden.
Falls aber der Gesellschaftsvertrag vorsieht, dass die Mitunternehmer zur Entnahme der auf den Ertrag entfallenden Steuern (Gewerbesteuer, Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag) berechtigt sind, mindert diese das Thesaurierungspotenzial und muss mit den individuellen Steuersätzen der Gesellschafter besteuert werden. Hieraus folgt, dass eine 100 %ige Gewinnthesaurierung immer dann ausgeschlossen ist, wenn für die Mitunternehmer die gewerblichen Gewinne der Personenhandelsgesellschaft die einzige Einnahmequelle darstellen.
Rz. 52
In Tab. 8 sind die beiden Fälle der vollständigen Gewinnentnahme und der vollständigen Gewinnthesaurierung im Falle der vertraglich zulässigen Gewerbesteuerentnahme (bei Entnahmen – Einlagen = GewSt) mit anschließender Nachversteuerung exemplarisch gegenübergestellt. Bei einem unterstellten Gewerbesteuerhebesatz von 400 % und einem persönlichen Einkommenssteuersatz von 45 % beträgt die Steuerbelastung im Fall der Gewinnentnahme nach Anrechnung des maximalen Betrags der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer unter Berücksichtigung des Solidaritätszuschlags insgesamt 46,71 %. Im Fall der Gewinnthesaurierung fällt wie bei sofortiger Gewinnentnahme zunächst die Gewerbesteuer an. Der verbleibende nicht entnommene Gewinn wird mit dem begünstigten Thesaurierungstarif i. H. v. 28,25 % versteuert. Zu beachten ist, dass die Gewerbesteuer gem. § 4 Abs. 5b EStG als nicht abzugsfähige Betriebsausgabe gilt und demnach mit dem persönlichen Einkommenssteuersatz gem. § 32a EStG zu versteuern ist. Somit ergibt sich insgesamt eine Thesaurierungsbelastung von 31,51 %.
Rz. 53
Werden die begünstigt besteuerten Gewinne zu einem späteren Zeitpunkt wieder entnommen, so unterliegt der Nachversteuerungsbetrag gem. § 34a Abs. 4 Satz 2 EStG dem von der Höhe des Mitunternehmers unabhängigen Tarifsteuersatz von 25 % zzgl. SolZ (ggf. zzgl. des Solidaritätszuschlags). Die Nachversteuerung betrifft also nur denjenigen Betrag, der aufgrund der Thesaurierungsbegünstigung ermäßigt besteuert wurde. Nach Abzug der ursprünglichen Thesaurierungsbelastung (28,25 % ggf. zzgl. SolZ) wird der verbleibende Betrag nachversteuert. Somit ergibt sich im Fall der Gewinnthesaurierung mit anschließender Entnahme der begünstigt besteuerten Gewinne eine Gesamtsteuerbelastung von 47,43 %. Die Thesaurierungsbegünstigung führt zu einem Steuerstundungseffekt und damit zu einem Liquiditäts- bzw. Zinsvorteil, der mit der Dauer der Thesaurierung zunimmt. Damit der Steuervorteil nicht bereits im Jahr der Thesaurierung anfällt, übersteigt die Summe der Steuerbelastung aus Thesaurierungs- und Nachversteuerung (47,43 %) den Spitzensteuersatz des Regeltarifs (46,71 %).
Rz. 54
|
Fall: Gewinn- entnahme |
Fall: Gewinn- thesaurierung |
|
Gewinn vor Steuern |
100,00 |
100,00 |
– |
GewSt (3,5 % * 400 % * 100,00) |
–14,00 |
–14,00 |
= |
Gewinn nach GewSt |
86,00 |
86,00 |
– |
ESt (45 % regulärer Tarif: 45 % * 100/45 % * 3,5 % * 400 % * 100,00) |
–45,00 |
–6,30 |
– |
ESt (28,25 % Thesaurierungstarif/ 28,25 % * 86,00) |
|
–24,30 |
+ |
Anrechnung GewSt auf ESt (3,5 % * 4 * 100,00) |
14,00 |
14,00 |
– |
Solidaritätszuschlag (5,5 % * zu erhebende ESt) |
–1,71 |
–0,91 |
= |
Gewinn nach Steuern |
53,29 |
68,49 |
|
Steuerbelastung insgesamt |
46,71 |
31,51 |
|
Ermittlung des Nachversteuerungsbetrags |
|
|
|
begünstigt besteuerter Gewinn |
|
86,00 –24,30 |
– |
ESt auf diesen Betrag (28,25 % * 86,00) |
|
– |
Solidaritätszuschlag (5,5 % * 24,30) |
|
–1,34 |
= |
Nachversteuerungsbetrag |
|
60,36 |
– |
ESt (25 % Tarifbelastung bei Entnahme 25 % * 60,36) |
|
–15,09 |
– |
Solidaritätszuschlag (5,5 % * 15,09) |
|
–0,83 |
= |
Gewinn nach Steuern (68,49 – 15,09 – 0,83) |
|
52,57 |
|
Steuerbelastung insgesamt |
46,71 |
47,43 |
Tab. 8: Gegenüberstellung der Steuerbelastungen
Rz. 55
Allerdings löst die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG eine Reihe von Schwierigkeiten aus, wodurch sich diese in der Praxis als schwer handhabbar und damit unattraktiv für die Ausschüttungspolitik von Pesonenhandelsgesellschaften...