Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
4.1 Der Sachverhalt
Das Meinungsforschungsunternehmen (X-KG) führt bundesweit für politische Organisationen und Wirtschaftsunternehmen Umfragen durch. Um die Unabhängigkeit der Tätigkeit und die Einhaltung wissenschaftlicher Standards zu gewährleisten, ist von den Gesellschaftern ein Kontrollrat ins Leben gerufen worden, der sich jederzeit über die Geschäftsführungstätigkeit informieren kann, aber keine Weisungsbefugnis gegenüber der Geschäftsführung hat. In den Kontrollrat sind paritätisch Kommanditisten und externe Fachleute berufen. Die Mitglieder erhalten eine jährliche Grundvergütung von 20.000 EUR sowie für die maximal dreimal jährlich stattfindenden Sitzungen für jede Teilnahme eine pauschale Sitzungsvergütung von 500 EUR. Reisekosten werden zusätzlich vergütet.
4.2 Fragestellung
Die X-KG möchte wissen, wie die Vergütungen gegenüber den Mitgliedern des Kontrollrats umsatzsteuerrechtlich zu behandeln sind.
4.3 Lösung
Die X-KG ist nach § 2 Abs. 1 UStG Unternehmer und führt – soweit der Ort der Leistung im Inland liegt- steuerbare und steuerpflichtige Leistungen aus. Sie empfängt die Leistungen der Kontrollratsmitglieder im Rahmen ihrer unternehmerischen Betätigung.
Grundsätzlich können die Mitglieder des Kontrollrats die Leistungen im Rahmen einer unternehmerischen Betätigung ausführen. Dazu müssen sie jeweils – individuell für diese Tätigkeit – selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig werden. Bisher war davon ausgegangen worden, dass auch Mitglieder solcher Kontrollorgane grundsätzlich unternehmerische Leistungen ausführen. Nachdem der EuGH aber in dem Fall einer nicht variablen Festvergütung eines Aufsichtsrats u. a. wegen eines nicht vorhandenen Vergütungsrisikos keine selbstständige Tätigkeit gesehen hatte, musste der BFH und nachfolgend die Finanzverwaltung ihre bisherige Rechtsauffassung ändern. Danach sind Aufsichtsräte und andere Kontrollorgane, die nicht der Ausübung, sondern der Kontrolle der Geschäftsführung einer juristischen Person oder einer Personenvereinigung dienen, nicht unternehmerisch tätig, wenn sie eine von der Tätigkeit unabhängige Festvergütung erhalten.
Abgrenzung bei gemischten Vergütungen
Der BFH hatte in seinem Urteil die Beurteilung bei einer erfolgs- oder tätigkeitsabhängigen Vergütung offen gelassen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung liegt eine unternehmerische Tätigkeit nach Abschn. 2.1 Abs. 3a Satz 5 UStAE dann vor, wenn die Gesamtvergütung neben einer von der Tätigkeit unabhängigen Vergütung jährlich zu mindestens 10 % aus variablen Bestandteilen (auch als Aufwandsentschädigung) besteht. Reisekostenerstattungen sind bei der Prüfung der 10 %-Grenze allerdings nicht zu berücksichtigen.
Da die variablen Bestandteile der Vergütung (hier max. 1.500 EUR) nicht mindestens 10 % der Gesamtvergütung (hier max. 21.500 EUR) ausmachen, ist nach Auffasssung der Finanzverwaltung von einer nicht selbstständig ausgeführten Kontrolltätigkeit der Mitglieder des Kontrollrats auszugehen. Dies gilt sowohl für die im Kontrollrat tätigen Kommanditisten als auch für die externen Mitglieder. Mangels Unternehmereigenschaft der Kontrollratsmitglieder führen diese keine steuerbaren Leistungen gegenüber der X-KG aus.
Nichtbeanstandungsregelung bis 31.12.2021 beachten
Für Leistungen bis zum 31.12.2021 wäre es aber nach einer Nichtbeanstandungsregelung der Finanzverwaltung auch möglich, wenn die Tätigkeit unter Bezugnahme auf die bisherige Fassung des UStAE noch als eine unternehmerische Betätigung beurteilt würde.