Dr. Madelaine Isabelle Baade
Zusammenfassung
Das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) berechtigt Beschäftigte zur Freistellung von der Arbeit, um pflegebedürftige nahe Angehörige zu pflegen. Daneben gilt das Familienpflegezeitgesetz (FPfZG), das Beschäftigten einen befristeten Teilzeitanspruch eröffnet. Wird zur Vertretung eines nach dem PflegeZG bzw. FPfZG freigestellten Beschäftigten ein Arbeitnehmer eingestellt, liegt hierin ein besonderer Befristungsgrund und der Arbeitgeber kann die Ersatzkraft unter erleichterten Voraussetzungen kündigen. Im FPfZG wird auf die entsprechende Vorschrift des PflegeZG verwiesen.
1 Zulässigkeit und Dauer
In der Entscheidung, ob und wie der Arbeitgeber einen Arbeitskräfteausfall insbesondere wegen einer Pflegefreistellung überbrückt, ist der Arbeitgeber frei. Es bleibt ihm überlassen, ob er die Stelle frei lässt, intern umverteilt oder externe Vertretungskräfte über Leiharbeit oder Befristungen organisiert.
Wenn der Arbeitgeber zur Vertretung eines Beschäftigten in der Pflegefreistellung eine Ersatzkraft befristet einstellt, liegt hierin nach § 6 PflegeZG ein sachlicher Grund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses. Der befristete Arbeitsvertrag muss immer schriftlich abgeschlossen werden. Die Dauer der Befristung muss im Arbeitsvertrag kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein, auch eine Zweckbefristung oder die Kombination von Zeit- und Zweckbefristung ist zulässig. Über die Dauer der Arbeitsverhinderung bzw. Pflegezeit hinaus ist die Befristung für die notwendige Zeit einer Einarbeitung zulässig.
Mit der Regelung in § 6 PflegeZG wurde eine Sondervorschrift für die Befristung von Arbeitsverhältnissen geschaffen, die unabhängig von den gesetzlichen Vorgaben des TzBfG gilt. Während das TzBfG abweichende tarifvertragliche Regelungen über die Anzahl der zulässigen Verlängerungen einer Befristung oder der Höchstdauer der Befristung zulässt, darf von den Vorschriften des PflegeZG nicht zuungunsten der Beschäftigten abgewichen werden.
Die Möglichkeit befristeter Einstellungen auf der Grundlage sonstiger gesetzlicher oder tarifvertraglicher Regelungen bleibt daneben und darüber hinaus jedoch unberührt.
Die Ersatzkraft muss nicht auf dem konkreten Arbeitsplatz des Beschäftigten in Pflegefreistellung eingesetzt werden. Sie muss auch nicht mit den gleichen Arbeitsaufgaben betraut werden. Entscheidend ist vielmehr, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Freistellung des Beschäftigten und dem dadurch entstandenen Vertretungsbedarf gegeben ist. Eine sog. Vertretungskette ist ausreichend.
2 Kündigung
Wird ein befristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen, so ist dieses nach allgemeinen Grundsätzen ordentlich unkündbar, es sei denn, das Kündigungsrecht wurde ausdrücklich vereinbart.
In § 6 Abs. 3 Satz 1 PflegeZG ist ein Sonderkündigungsrecht des Arbeitgebers gegenüber der befristet eingestellten Ersatzkraft (nur) für den Fall vorgesehen, dass die Pflegezeit des Beschäftigten gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 PflegeZG aufgrund der dort genannten veränderten Umstände ohne Zustimmung des Arbeitgebers vorzeitig endet.
Nach dieser Bestimmung endet die Pflegezeit von Gesetzes wegen 4 Wochen nach Eintritt der veränderten Umstände, wenn der nahe Angehörige nicht mehr pflegebedürftig oder die häusliche Pflege des nahen Angehörigen unmöglich oder unzumutbar ist.
In diesen Fällen kann der Arbeitgeber die befristet eingestellte Ersatzkraft mit einer zweiwöchigen Kündigungsfrist vorzeitig kündigen, sofern das gesetzliche Sonderkündigungsrecht nicht explizit vertraglich ausgeschlossen wurde. Das Kündigungsschutzgesetz ist in diesen Fällen nicht anzuwenden, d. h. der allgemeine Kündigungsschutz findet keine Anwendung, die Kündigung muss also nicht sozial gerechtfertigt sein. Damit soll vermieden werden, dass der Arbeitgeber in den gesetzlichen Ausnahmefällen, in denen der Beschäftigte ohne Zustimmung des Arbeitgebers früher als geplant an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann, den rückkehrenden Beschäftigten und die Ersatzkraft gleichzeitig beschäftigen und vergüten muss.
Ein in der Person der Ersatzkraft etwa bestehender besonderer Kündigungsschutz bleibt davon jedoch unberührt.
3 Ausschluss von Doppelzählungen
Nach § 6 Abs. 4 PflegeZG ist eine Doppelzählung und damit eine Erhöhung der Arbeitsplätze bzw. Erhöhung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer durch die Vertretungskraft ausgeschlossen, sofern im Rahmen (anderer) arbeitsrechtlicher Gesetze oder Verordnungen auf die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer abgestellt wird. Der in der Pflegefreistellung befindliche Beschäftigte ist bei der Feststellung der Arbeitnehmerzahlen nicht mitzuzählen, solange stattdessen eine Vertretungskraft beschäftigt wird. Ist keine Ersatzkraft eingestellt, ist der Beschäftigte in Pflegezeit mitzuzählen.