Gestaltungen zur Sicherung des Generationenwechsels im Unternehmen
[Ohne Titel]
Dr. Martin Lohr, Notar
Bei der Unternehmensnachfolge sind die Pflichtteilsanrechnungsbestimmung des Schenkers und der Pflichtteilsverzicht des Beschenkten wesentliche Gestaltungsinstrumentarien. Zudem können im Erbfall Pflichtteilsergänzungsansprüche Dritter – etwa der weiteren Kinder des Schenkers – als "Störfälle" die Unternehmensnachfolge beeinträchtigen oder sogar den Fortbestand des Unternehmens gefährden, so dass die Einbindung der Drittbeteiligten bei der Schenkung zu empfehlen ist. Der Beitrag gibt einen Überblick über diese Themen und schließt mit einem Formulierungsvorschlag ab.
1. Pflichtteilsberechtigung
Zu den pflichtteilsberechtigten Personen zählen Abkömmlinge, Eltern und der Ehegatte (§ 2303 BGB, hierzu Grüneberg/Weidlich, 81. Aufl. 2022, § 2303 Rz. 1 ff.). Grundlage der Pflichtteilsberechnung ist der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls (§ 2311 BGB). Bei Unternehmen ist der tatsächliche Wert, d.h. der Verkehrswert, zugrunde zu legen (Grüneberg/Weidlich, 81. Aufl. 2022, § 2311 Rz. 9; zur Unternehmensbewertung im Pflichtteilsrecht: König, ErbR 2020, 522). Die Verjährungsfrist für die Geltendmachung des Pflichtteils beträgt drei Jahre, beginnend mit der Kenntnis des Erbfalls (§§ 195, 199 BGB); besondere Regelungen gelten bezüglich des Fristbeginns für den Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2332 BGB). Der Pflichtteilsberechtigte kann nach § 2314 Abs. 1 BGB Auskunftsansprüche gegen den Erben geltend machen (s. hierzu BGH v. 30.11.2022 – IV ZR 60/22, MDR 2023, 172: hiernach kann Auskunft auch nach Ausschlagung der Erbschaft verlangt werden; s. auch zum Umfang des Auskunftsrechts im Unternehmensbereich: Weidlich, MittBayNot 2015, 53).
2. Pflichtteilsansprüche des Beschenkten
Der Schenker möchte im Regelfall sicherstellen, dass etwaige Pflichtteilsansprüche des Beschenkten infolge der Anteilsübertragung entweder vollständig ausgeschlossen sind oder dass jedenfalls der Wert der Schenkung bei der Pflichtteilsbemessung anspruchsmindernd Berücksichtigung findet (zum Pflichtteilsrecht bei der Unternehmensnachfolge: Dresler-Lenz / Lehmann, BB 2023, 648).
Hierbei bestehen folgende Gestaltungsmöglichkeiten:
- Der Beschenkte verzichtet durch einen Pflichtteilsverzichtsvertrag (§ 2346 Abs. 2 BGB) anlässlich der Schenkung umfassend auf sein Pflichtteilsrecht (zu den Rechtsfragen des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts in diesem Zusammenhang: Jülicher, ZErbR 2014, 126).
- Der Verzicht erfolgt eingeschränkt dergestalt, dass er auf die Höhe des Werts der Zuwendung begrenzt ist.
- Der Schenker erklärt, dass der Wert der Zuwendung auf den Pflichtteil anzurechnen ist (Anrechnungsbestimmung i.S.d. § 2315 BGB). Die Anrechnung erfolgt durch einseitige Erklärung des Schenkers bei Ausführung der Schenkung (hierzu: von Dickhuth-Harrach, Handbuch der Erbfolge-Gestaltung, 1. Aufl. 2011, § 59 Rz. 6 ff.).
3. Pflichtteilsansprüche Dritter bei der Unternehmensnachfolge
Pflichtteilsberechtigte Dritte können nach dem Erbfall sog. Pflichtteilsergänzungsansprüche (§§ 2325, 2329 BGB) geltend machen, somit nach § 2325 Abs. 1 BGB als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der Schenkungswert noch zum Nachlass gezählt wird (hierzu: von Dickhuth-Harrach, Handbuch der Erbfolge-Gestaltung, 1. Aufl. 2011, § 55 Rz. 1 ff.; Spiegelberger, Vermögensnachfolge, 3. Aufl. 2020, § 1 Rz. 69 ff.). Hierbei gilt eine Pro-Rata-Regelung (§ 2325 Abs. 2 BGB): Für jedes vollendete Jahr der Schenkung wird der anzusetzende Wert um ein Zehntel reduziert; nach zehn Jahren bleibt der gesamte Schenkungswert unberücksichtigt ("Abschmelzungslösung"). Beachten Sie: Behält sich der Schenker ein umfassendes Nutzungsrecht vor (z.B. Nießbrauch), beginnt die Zehnjahresfrist erst mit Beendigung des Nutzungsrechts (BGH v. 29.6.2016 – IV ZR 474/15, MDR 2016, 1152). Besonderheiten gelten zudem bei der Schenkung an den Ehegatten; die Frist beginnt dann nicht vor Auflösung der Ehe (§ 2325 Abs. 3 S. 3 BGB).
Um diese Ansprüche zu vermeiden, kommen zwei Gestaltungen in Betracht:
- Der Drittberechtigte erklärt – unabhängig von der Schenkungsurkunde – einen umfassenden Pflichtteilsverzicht. Dieser kann entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen (zur Frage der Sittenwidrigkeit solcher Vereinbarungen aufgrund besonderer Umstände: OLG Koblenz v. 27.7.2021 – 12 U 1681/20, FamRZ 2021, 2008, s. hierzu auch: Becker / Hendricks, RFamU 2022, 23 mit Empfehlungen zur Gestaltung des Beurkundungsverfahrens). Bei einem entgeltlichen Verzicht stellt das Entgelt eine Schenkung des Erblassers dar, die nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG der Schenkungsteuer unterliegt (hierzu: Weinmann / Revenstorff / Offerhaus / Erkis, Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, 4. Aufl. 2017, S. 272).
- Der Drittbeteiligte wirkt an der Beurkundung der Schenkung mit und erklärt einen Verzicht auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch, so dass die Ansprüche am Restvermögen des Schenkers hiervon unberührt bleiben.
4. Formelle Anforderungen an den Pflichtteilsverzichtsvertrag
Der Verzicht gegenüber dem Erblasser bedarf der notariellen Beurkundung (§ 2348 BGB); andernfalls ist er formn...