BMF, Schreiben v. 14.11.2012, IV D 2 - S 7200/08/10005, BStBl I 2012, 1170
I. Gesetzliche Verpflichtung der pharmazeutischen Unternehmen zur Gewährung eines Rabattes/Abführung eines Abschlages
Pharmazeutische Unternehmen sind nach den gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet, Rabatte bzw. Abschläge zu gewähren. Bezüglich der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung gilt es zu unterscheiden, wer Begünstigter bzw. Zahlungsempfänger der Beträge ist und inwieweit dieser in der umsatzsteuerrechtlichen Leistungskette eingebunden ist.
1. Pflicht des Herstellers nach § 130a SGB V (gesetzliche Krankenversicherung)
Nach § 130a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) erhalten die gesetzlichen Krankenkassen von Apotheken für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag vom Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers. Pharmazeutische Unternehmer sind verpflichtet, den Apotheken oder ihren Zwischenhändlern den Abschlag zu erstatten. Da die Erstattung des Abschlages zugunsten eines Abnehmers der Medikamentenlieferung in der Leistungskette erfolgt, führt der den gesetzlichen Krankenkassen zu gewährende gesetzliche Rabatt beim Hersteller zu einer Minderung des Entgelts nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG für seine Lieferung an den Zwischenhändler oder die Apotheke (Abschn. 10.3 Abs. 7 UStAE).
2. Pflicht des Herstellers nach § 1 AMRabG (private Krankenversicherung/Beihilfe/Heilfürsorge)
Nach § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel (AMRabG) haben die pharmazeutischen Unternehmen den Unternehmen der privaten Krankenversicherung und den Trägern der Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen nach beamtenrechtlichen Vorschriften für verschreibungspflichtige Arzneimittel, deren Kosten diese ganz oder teilweise erstattet haben, nach dem Anteil der Kostentragung Abschläge entsprechend § 130a Abs. 1, 1a, 2, 3, 3a und 3b SGB V zu gewähren.
Die Geltendmachung der Abschläge gegenüber den pharmazeutischen Unternehmen erfolgt durch die „Zentrale Stelle zur Abrechnung von Arzneimittelrabatten” (ZESAR), welche die vereinnahmten Beträge an die Anspruchsberechtigten weiterleitet.
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG wird der Umsatz bei Lieferungen und sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten (abzüglich der Umsatzsteuer). Hierzu zählen somit auch die vom leistenden Unternehmer geschuldeten Steuern (Verbrauch- und Verkehrsteuern), öffentliche Gebühren und Abgaben (Abschn. 10.1 Abs. 6 UStAE).
Der Leistungsempfänger (Apotheke oder Zwischenhändler) wendet für die Lieferung der pharmazeutischen Unternehmen an ihn den vollständigen Medikamentenpreis auf. Hierbei handelt es sich um das vereinbarte und auch tatsächlich gezahlte Entgelt nach § 10 Abs. 1 UStG. Der private Endverbraucher (Privatpatient) hat ebenfalls den vollständigen und nicht durch etwaige Abschläge geminderten (Brutto-)Medikamentenpreis gegenüber der Apotheke zu entrichten.
Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz geändert, so hat nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen.
Eine Entgeltminderung liegt u.a. vor, wenn der erste Unternehmer (hier: pharmazeutisches Unternehmen) aufgrund seiner Lieferung eine Erstattung an einen der nachfolgenden Abnehmer in der Leistungskette vornimmt. Es kommt nicht darauf an, ob der begünstigte Abnehmer in einer unmittelbaren Leistungsbeziehung zu dem ersten Unternehmer steht. Dem folgend ist auch eine Minderung der Bemessungsgrundlage für die Lieferung des ersten Unternehmers an seinen Abnehmer der nächsten Stufe vorzunehmen, wenn der erste Unternehmer in einer Leistungskette dem Endverbraucher (hier: Privatpatient) einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts erstattet (Abschn. 10.3 Abs. 1 Satz 6 UStAE). Auf die Gründe, die für die Erstattung maßgebend waren, kommt es nicht an (Abschn. 10.3 Abs. 1 Satz 3 UStAE).
Nach dem Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer dürfen somit im Ergebnis aus allen Umsatzgeschäften in der Kette (von der Herstellung bis zum Endverbrauch) insgesamt nur die Umsatzsteuerbeträge berücksichtigt werden, die dem vom Endabnehmer wirtschaftlich aufgewendeten Umsatzsteuerbetrag entsprechen (Abschn. 17.2 Abs. 9 Satz 1 und Abs. 10 Satz 12 UStAE).
Nach dem sog. Sach- und Dienstleistungsprinzip nach § 2 Abs. 2 SGB V gilt die gesetzliche Krankenversicherung als umsatzsteuerrechtlicher Endabnehmer in der dargestellten Leistungskette. Diese gesetzlich verankerte besondere Betrachtungsweise findet jedoch bei der Beurteilung der Leistungsbeziehungen zwischen Privatpatient und den leistenden Unternehmern der Vorstufe keine Anwendung. Der Privatpatient ist auch weiterhin als letzter Abnehmer in der Lieferkette anzusehen.
Die Erstattung des Abschlages nach § 1 AMRabG erfolgt jedoch an die ZESAR bzw. private Krankenversicherung/Beihilfe/Heilfürsorge. Zwischen dem pharmazeutischen Unternehmen und dem Empfän...