Leitsatz
1. Maßgebend für den Vorsteuerabzug ist nicht nur die Verwendung der vom Steuerpflichtigen bezogenen Eingangsleistung, sondern auch der ausschließliche Entstehungsgrund des Eingangsumsatzes.
2. Wird aufgrund der unsachgemäßen Montage einer unternehmerisch genutzten Photovoltaik-Anlage das Dach eines eigenen Wohnzwecken dienenden Hauses beschädigt, steht dem Unternehmer für die zur Beseitigung des Schadens notwendigen Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten der Vorsteuerabzug zu.
3. Die weitere auch eigenen Wohnzwecken dienende Nutzung des Hausdachs ist für den Vorsteuerabzug jedenfalls dann nicht maßgeblich, wenn dem Unternehmer über die Schadensbeseitigung hinaus in seinem Privatvermögen kein verbrauchsfähiger Vorteil verschafft wird.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG, Art. 168 Buchst. a EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Der Kläger installierte im Jahr 2009 eine Photovoltaikanlage (PV-Anlage) auf dem Dach seines privat genutzten Hauses. Er liefert den von der PV-Anlage erzeugten Strom umsatzsteuerpflichtig an den Netzbetreiber, ordnete die PV-Anlage rechtzeitig vollständig seinem Unternehmen zu und zog die Vorsteuer in voller Höhe ab.
Im Jahr 2019 (Streitjahr) wurde festgestellt, dass aufgrund der unsachgemäßen Montage der PV-Anlage das Dach beschädigt war. Zivilrechtliche Ansprüche des Klägers gegen die Montagefirma sind verjährt.
Der Kläger ließ den Schaden in dem Umfang, in dem es erforderlich war, reparieren. Hierfür begehrte er den vollen Vorsteuerabzug, weil der Schaden durch die unternehmerische Nutzung des Dachs (die PV-Anlage) entstanden sei.
Das FA versagte den Vorsteuerabzug bis auf einen Kleinbetrag. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos. Das FA ging davon aus, dass für den Vorsteuerabzug aus der Dachsanierung nur der Umstand maßgeblich sei, wie das Dach künftig genutzt werde. Dies sei zu über 90 % nichtunternehmerisch, weil das Dach den privaten Wohnraum bedecke.
Das FG (FG Nürnberg, Urteil vom 23.2.2021, 2 K 826/20) wies die Klage ab. Zwar sei es davon überzeugt, dass der ausschließliche Entstehungsgrund der Eingangsleistungen in der unternehmerischen Sphäre des Klägers liege. Dies führe aber nicht dazu, dass die Eingangsleistung ausschließlich unternehmerisch genutzt werde. Die zukünftige Nutzung liege unter 10 %, sodass die Versagung des Vorsteuerabzugs zu Recht erfolgt sei.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt. Die Berechnung der Umsatzsteuer übertrug der BFH dem FA.
Hinweis
1. Dem Unternehmer steht der Vorsteuerabzug für Leistungsbezüge für sein Unternehmen zu, soweit sie für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden. Dazu muss ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, oder der steuerpflichtigen wirtschaftlichen Gesamttätigkeit bestehen. Die Ausgaben müssen Kostenelement der besteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze sein.
2. Dabei ist jedoch nicht nur auf die zukünftige Verwendung, sondern auch auf den objektiven Inhalt des betreffenden Umsatzes abzustellen (vgl. EuGH, Urteil vom 22.10.2015, C-126/14, Sveda, Rz. 29, EU:C:2015:712, Haufe-Index 8636783; EuGH, Urteil vom 8.9.2022, C-98/21, Finanzamt R, Rz. 49, EU:C:2022:645, BFH/NV 2022, 1279). Maßgebend ist auch der ausschließliche Entstehungsgrund des Eingangsumsatzes, da dieser ein Kriterium für die Bestimmung des objektiven Inhalts ist (vgl. EuGH, Urteil vom 21.2.2013, C-104/12, Becker, Rz. 29, EU:C:2013:99, BFH/NV 2013, 685; EuGH, Urteil vom 10.11.2016, C-432/15, Baštová, Rz. 45, EU:C:2016:855,Haufe-Index 9942858; EuGH, Urteil vom 8.11.2018, C-502/17, C&D Foods Acquisition, Rz. 37, EU:C:2018:888, BFH/NV 2019, 95; Finanzamt R, Rz. 49, EU:C:2022:645; EuGH, Urteil vom 8.2.2007, C-435/05, Investrand, Rz. 33, EU:C:2007:87, BFH/NV Beilage 2007, 289, 36).
3. Im Besprechungsurteil hat der BFH daraus abgeleitet, dass Eingangsleistungen zur Reparatur eines Dachs zum vollen Vorsteuerabzug berechtigen, wenn der Schaden ausschließlich durch die unsachgemäße Montage der PV-Anlage entstanden ist und die Reparatur nur in dem hierfür erforderlichen Umfang erfolgt. Die zukünftige Nutzung des reparierten Gegenstands ist jedenfalls dann nicht maßgeblich, wenn dem Unternehmer über die Schadensbeseitigung hinaus in seinem Privatvermögen kein verbrauchsfähiger Vorteil verschafft wird.
Gegenstände im Privatvermögen
Der Umstand, dass der reparierte Gegenstand zum Privatvermögen gehört, steht dem Vorsteuerabzug nicht entgegen. Denn die Zuordnung zum Unternehmen betrifft nicht die Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen für die Nutzung und Wartung des Gegenstands (vgl. EuGH, Urteil vom 8.3.2001, C-415/98, Bakcsi, Rz. 33, EU:C:2001:136, BFH/NV Beilage 2001, 52; BFH, Urteil vom 17.12.2008, XI R 64/06, Rz. 30, BFH/NV 2009, 798; Abschn. 15.2c Abs. 2 Satz 2 und 3 UStAE). Die Finanzverwaltung lässt deshalb zu Recht z.B. in Abschn. 15.2c Abs. 3 Satz 3 UStAE Vorsteuerbeträge ...