Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
2.1 Sachverhalt
Die Gemeinde Bad Neudorf errichtet auf dem ihr gehörenden Rathausgebäude in 2022 eine PV-Anlage. Für die Anlage wurden an die Herstellungsfirma insgesamt 1 Mio. EUR zuzüglich 19 % USt gezahlt. Zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs ging die Gemeinde zutreffend davon aus, dass sie die Anlage zu 30 % zur Versorgung des Rathauses verwenden wird, der restliche Strom soll in das öffentliche Netz eingespeist werden.
2.2 Fragestellung
Die Gemeinde möchte wissen, wie die ihr vom Netzbetreiber ausgezahlte Vergütung umsatzsteuerrechtlich zu behandeln ist. Außerdem möchte sie wissen, in welcher Höhe sie aus der Errichtung der Anlage zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, wenn alle Wahlrechte zugunsten der Gemeinde fristgerecht umgesetzt worden sind.
Weiterhin ist zu prüfen, welche Rechtsfolgen sich ergeben, wenn die Gemeinde im Folgejahr die Anlage zu 20 % (alternativ 40 %) zur Versorgung des Rathauses verwendet.
Alternativ sind die Rechtsfolgen anzugeben, wenn es sich um eine Anlage handeln würde, die bis 31.3.2012 ans Netz gegangen war.
2.3 Lösung
Mit der Erzeugung von Strom durch eine PV-Anlage wird die Gemeinde – unabhängig von einer schon bisher ausgeführten unternehmerischen Tätigkeit – Unternehmer nach § 2 Abs. 1 und Abs. 3 UStG bzw. nach § 2b UStG, da sie selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht Strom produziert und verkauft. Die Produktion von Strom gehört auch nicht zu der hoheitlichen Tätigkeit.
a) Inbetriebnahme in 2022
Nimmt die Gemeinde die PV-Anlage in 2022 (entspricht der Rechtslage für die Inbetriebnahme einer Anlage ab dem 1.4.2012) in Betrieb, erhält sie nur für die tatsächlich eingespeiste Strommenge eine Vergütung. Die Versorgung des Rathauses mit Strom stellt für die Gemeinde eine Verwendung im hoheitlichen, nichtunternehmerischen Bereich der Gemeinde dar. Da die Gemeinde insoweit nicht "privat" tätig ist, liegt eine Nutzung im nichtwirtschaftlichen Bereich vor. Die Gemeinde darf die Anlage deshalb nur insoweit dem Unternehmen zuordnen, wie sie eine unternehmerische Nutzung plant. Soweit die Gemeinde die Anlage zur Einspeisung von Strom in das Netz verwenden möchte, liegt eine unternehmerische Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 UStG und § 2b UStG vor.
Unternehmerische Mindestnutzung von 10 %
Die teilweise Zuordnung der Anlage zum Unternehmen setzt voraus, dass die Anlage zumindest zu 10 % für unternehmerische Zwecke verwendet werden soll.
Für Leistungsbezüge bis zum 31.12.2015 wäre die 10 %-Grenze bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die auch im nichtwirtschaftlichen Bereich tätig sind, nicht zur Anwendung gekommen. Für alle Leistungsbezüge ab dem 1.1.2016 gilt aufgrund geänderter unionsrechtlicher Grundlagen die 10 %-Grenze auch für den nichtwirtschaftlichen Bereich.
Da die PV-Anlage nur zu 70 % für unternehmerische Zwecke verwendet werden soll, kann die Gemeinde auch nur 70 % der ihr berechneten USt als Vorsteuer abziehen. Der Gemeinde stehen damit (190.000 EUR * 70 % =) 133.000 EUR Vorsteuerabzug zu. Die Aufteilung der Vorsteuer wird dabei analog § 15 Abs. 4 UStG anhand der geplanten (geschätzten) Verwendung vorgenommen.
Da die Anlage nur insoweit dem Unternehmen zugeordnet werden konnte, wie sie für unternehmerische Zwecke verwendet werden sollte, kann sich (bei planmäßiger Verwendung) keine Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe ergeben.
Vorsteuerabzug aus weiteren Aufwendungen
Auch aus allen weiteren Aufwendungen (z. B. Wartungskosten, Reparaturkosten) hat die Gemeinde nur einen Vorsteuerabzugsanspruch von 70 %. Bei Reparaturen ab 2023 (Lieferung und Installation von für den Betrieb der Photovoltaikanage wesentlichen Elementen) wird der Gemeinde aber aufgrund des neuen Nullsteuersatzes nach § 12 Abs. 3 UStG keine Umsatzsteuer berechnet, sodass dann ein Vorsteuerabzug entfällt. Dies gilt aber nicht für Wartungs- oder Reinigungsleistungen.
Die Lieferung des eingespeisten Stroms an den Netzbetreiber ist eine Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG, deren Ort sich nach § 3g Abs. 1 UStG dort befindet, wo der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt. Die Lieferung ist im Inland steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Eine Steuerbefreiung nach § 4 UStG liegt nicht vor. Steuerschuldner für die USt ist die Gemeinde.
Ändert sich der Umfang der eingespeisten Strommenge, ergeben sich erhebliche umsatzsteuerrechtliche Auswirkungen.
Erhöht sich Menge des eingespeisten Stroms auf 80 % (die Menge des dezentral verbrauchten Stroms beträgt dann 20 % der Gesamtstrommenge), wird die Anlage in einem höheren Umfang für unternehmerische Zwecke verwendet. Da die Anlage zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs nur zu 70 % dem Unternehmen zugeordnet werden konnte, wäre systematisch eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG ausgeschlossen. Aus Billigkeitsgründen lässt die Finanzverwaltung aber eine Vorsteuerberichtigung zu, sodass sich bei einer 5-jährigen Nutzungsdauer der Anlage und einer 10 %igen Verwendungsänderung ein Berichtigungsbetrag für ein Kalenderjahr i. H. v. (190.000 EUR * 1/5 * 10 % =) 3.800...