Leitsatz
Auch bei Kfz mit offener Ladefläche ist eine Einordnung als Lkw grundsätzlich nur dann gerechtfertigt, wenn die Ladefläche die zur Personenbeförderung dienende Bodenfläche übertrifft (Fortführung des Urteils vom 1.8.2000, VII R 26/99, BFH/NV 2001, 284).
Normenkette
§ 2 Abs. 2 KraftStG , § 8 Nr. 2 KraftStG , § 23 Abs. 6 a StVZO
Sachverhalt
Ein Pick-up mit Doppelkabine wurde von der Verkehrsbehörde als Lkw eingestuft, vom FA jedoch als Pkw besteuert. Das FG meinte, das für die steuerliche Behandlung maßgebliche sog. äußere Erscheinungsbild des Fahrzeugs werde entscheidend geprägt von der Lkw-typischen offenen Ladefläche. Der BFH ist dem nicht gefolgt.
Entscheidung
Grundsätzlich sei eine Einordnung eines Fahrzeugs als Lkw nur dann gerechtfertigt, wenn seine Ladefläche die zur Personenbeförderung dienende Bodenfläche übertrifft. Denn nur dann sei im Allgemeinen die Annahme gerechtfertigt, das Fahrzeug sei (zumindest überwiegend) für die Güterbeförderung konzipiert. Dies gelte auch bei einem Kfz, dessen Ladefläche offen sei. Ob es ggf. durch ein Hardtop oder eine Plane verschließbar ist, hält der BFH für unerheblich.
Hinweis
Die Abgrenzung von Lkw und Pkw kann für die Kraftfahrzeugsteuer erhebliche Bedeutung haben, weil Erstere nach dem zulässigen Gesamtgewicht, Letztere hingegen grundsätzlich nach ihrem Hubraum besteuert werden. "Klein-Lkw" mit viel Hubraum und geringem Gesamtgewicht zahlen also wenig Kraftfahrzeugsteuer, wenn sie als Lkw anerkannt werden, hingegen ein Vielfaches, wenn sie als Pkw anzusehen sind.
Klare gesetzliche Definitionen und Zuordnungskriterien für die Unterscheidung zwischen Pkw und Lkw fehlen. Die Verkehrsbehörden sind in der Zuordnung zur Kategorie Lkw im Allgemeinen großzügig, weil sie im Wesentlichen verschärfte straßenverkehrsrechtliche Anforderungen zur Folge hat. Ihre "Interessenlage" ist also gewissermaßen derjenigen der FÄ entgegengesetzt.
Beachten Sie, dass nach ständiger Rechtsprechung die verkehrsrechtliche Einstufung eines Fahrzeugs die FÄ nicht bindet (denn die Entscheidung der Verkehrsbehörde ist nicht etwa ein Grundlagenbescheid). Sie begründet auch keinen steuerlichen Vertrauensschutzanspruch.
Die Rechtsprechung hat in einer mittlerweile langen Reihe von Entscheidungen Zuordnungskriterien für die steuerliche Einordnung der Fahrzeuge entwickelt. Sie stellt maßgeblich auf die "Herstellerkonzeption" und das sog. "äußere Erscheinungsbild" der Fahrzeuge ab. Den FG ist dabei vom BFH zunächst, vor allem bei Umbaufällen, ein weiter Entscheidungsspielraum zugestanden worden. Das beruhte auf der Überlegung, dass die Bewertung eines konkreten Fahrzeugs nach diesen Maßstäben eine komplexe Würdigung einer Vielzahl von Tatsachen (Bauart, Ausstattung, Gebrauchsbestimmung seitens des Herstellerwerks und dgl.) erfordert; solches aber kann nur der Tatrichter leisten.
Andererseits aber geht es zumeist um Serienfahrzeuge, die allenfalls mehr oder weniger geringfügige individuelle Abwandlungen (Umbau, Sonderausführung) aufweisen. Es besteht also ein gewisses Gerechtigkeitsbedürfnis, die steuerliche Behandlung solcher Fahrzeuge möglichst (bundes-)einheitlich zu gewährleisten. Die neueste Rechtsprechung des BFH hat sich wohl deshalb bei den Klein-Lkws dazu durchgerungen, zumindest eine Art Faustregel anzuerkennen:
Kein Lkw liegt vor, wenn die Ladefläche die der Personenbeförderung dienende Fläche ("Kabine", Fahrgastraum) nicht übertrifft.
Beachten Sie aber, dass es sich dabei eben nur um eine – freilich nur schwer durch Besonderheiten des einzelnen Fahrzeugs zu entkräftende – Faustregel handelt.
Beachten Sie ferner, dass eine Einordnung eines Fahrzeugs als Lkw ohnehin nur in Betracht kommt, wenn dieses eine fest eingebaute Trennwand zwischen Personenkabine und der zur Beförderung von Gütern dienenden Ladefläche besitzt.
Im Entscheidungsfall hat der BFH die vorgenannte Faustregel erstmals auf einen Klein-Lkw angewandt, der eine offene Ladefläche (nicht einen lediglich im Innern abgetrennten Laderaum) besaß.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 8.2.2001, VII R 73/00