Prof. Dr. Rudolf Schrank, Dr. Thorsten Giesa
Ansatz der GE-Matrix
Die GE-Matrix ist eines der bekanntesten Managementinstrumente unserer Zeit. Das Modell ist auch bekannt unter dem Namen "Marktattraktivitäts-Wettbewerbsstärke-Portfolio" oder "McKinsey-Matrix". Die GE-Matrix wurde in den 70er Jahren von General Electric in Zusammenarbeit mit McKinsey entwickelt. Ergebnis der Analyse war damals, dass General Electric seine 170 Profit-Center in strategische Geschäftseinheiten, sog. SGEs, zusammenfasste.
Im Unterschied zur BCG-Matrix mit den Kriterien Marktwachstum und Marktanteil wird die GE-Matrix nicht nur in vier, sondern in neun Felder unterteilt. Dies erlaubt etwas präzisere Ableitungen; die Matrix als Hilfsmittel der Visualisierung bleibt aber immer noch überschaubar. Die Anzahl der Felder ist aber im Grunde austauschbar und stellt keinen konzeptionellen Unterschied dar. Der grundlegende unterschiedliche Ansatz der GE-Matrix besteht vielmehr darin, dass die GE-Matrix eine Vielzahl von Kriterien über die oben beschriebene Scoring-Technik verdichtet. Dieser Ansatz macht verschiedene Schritte notwendig:
- Ermittlung von Kriterien für Marktattraktivität und Wettbewerbsstärke
- Skalierung dieser Kriterien in datenbasierte oder einschätzungsbasierte Skalen
- Bewertung der einzelnen Kriterien je strategisches Geschäftsfeld
- Zuweisung von Gewichten zu jedem Kriterium
- Interpretation der Ergebnisse und Ableitung von Strategien
Auswahl von Kriterien
Die Ermittlung der Kriterien folgt der strategischen Ausrichtung des Unternehmens. Es gibt mit Rendite, Wachstum, Marktvolumen und der Wettbewerbssituation bei der Marktattraktivität einige klassische Kriterien, welche fast immer Anwendung finden. Die Wettbewerbsstärke ist hingegen in vielen Fällen nur anhand qualitativer Punkwerte zu ermitteln. Auch hier sollte aber so weit wie möglich quantifiziert werden.
Tabelle 3 zeigt ein Beispiel für die Auswahl und Gewichtung der Kriterien für Marktattraktivität anhand eines Komponentenzulieferers für den Maschinenbau.
# |
Kriterien für Marktattraktivität |
Einheit |
Score Kriterien |
Gewicht Kriterien |
1 |
Marktrendite |
DB I (2008) in % v. Umsatz (DB-Rate/Handelsspanne) |
10 |
25,6 % |
2 |
Marktwachstum bis 2012 (%) |
CAGR Marktvolumen 2008-2012 in % |
8 |
20,5 % |
3 |
Wettbewerbsintensität/Substitutionsgefahr |
Score |
7 |
17,9 % |
4 |
Marktvolumen (Mio. EUR) |
Marktvolumen 2008 (Mio. EUR) |
9 |
23,1 % |
5 |
Synergie mit anderen Segmenten |
Score |
5 |
12,8 % |
|
|
|
39 |
100 % |
|
|
|
|
|
Tab. 3: Kriterien der Marktattraktivität anhand eines Praxisbeispiels
Kriterien zur Marktattraktivität
Im vorliegenden Fall wurde zusätzlich zu den bereits erwähnten zentralen Kriterien "Synergie mit anderen Segmenten" aufgenommen. Zusätzlich zu den fundamentalen ökonomischen Aussagen wird hierdurch eine stärker strategisch geprägte Komponente eingebracht. Geschäftsfelder, welche Synergieeffekte mit dem Gesamtportfolio aufweisen, werden bessergestellt. Gründe hierfür sind Cross-Selling-Potenziale, gemeinsame Nutzung zentraler Ressourcen, bessere Austauschbarkeit qualifizierter Mitarbeiter etc. Dieser strategische Effekt ist allerdings schwer direkt zu quantifizieren, weshalb hier auf einen qualitativen Score zurückgegriffen wurde. Anders bei einigen anderen Kriterien:
- Die Marktrendite über alle Marktteilnehmer hinweg ist nur schwer abschätzbar. Es ist daher gängige Praxis, die Rendite des Marktes aufgrund der bislang erzielten Rendite des eigenen Unternehmens abzuschätzen. Hier wurde der Deckungsbeitrag I herangezogen. Dieser stellt natürlich nur eine grobe Orientierung dar, ist aber im Branchenumfeld verlässlicher als die durch Kostenverrechnungen beeinflussten weiteren Deckungsbeiträge II und III.
- Beim Marktwachstum muss notwendigerweise mit Prognosen gearbeitet werden; eine Ausrichtung an Vergangenheitswerten ist nur mit Einschränkungen sinnvoll. Dies ist ein Punkt, welcher beim BCG-Portfolio häufig kritisiert wird.
Die Wichtigkeiten wurden anhand des bereits dargestellten Vorgehens durch Punktbewertung ermittelt, wobei Profitabilität und Marktvolumen als zentrale Elemente der Attraktivität ausgewählt wurden.
Skalierung der Marktattraktivität
Tabelle 4 zeigt die konkreten Ausprägungen, welche den einzelnen Kriterien der Marktattraktivität zugewiesen wurden. Die Daten wurden leicht verändert, entsprechen aber grob den ursprünglichen Relationen. Bei der Einteilung der Datenpunkte ist es zunächst sinnvoll, die Extremausprägungen, also das Optimum und den ungünstigsten Fall, festzulegen. Darauf aufbauend können die Kategorien entlang der Datenskala in gleichen Schritten (also bei der Marktrendite bspw. in 10 %-Schritten) festgelegt werden. Es sind aber durchaus auch Schritte zulässig, welche nicht auf solch einer linearen Einteilung beruhen.
# |
Kriterien für Marktattraktivität |
Punktwert |
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
1 |
Marktrendite |
<30 % |
30-<40 % |
40 %-<50 % |
50-<60 % |
>= 60 % |
2 |
Marktwachstum bis 2012 (%) |
<0 |
0 |
>= 1 %–<5 % |
>= 5 %-<10 % |
>= 10 % |
3 |
Wettbewerbsintensität/ Substitutionsgefahr |
sehr hoch |
hoch |
mittel |
gering |
sehr gering |
4 |
Marktvolumen (Mio. EUR) |
>= 3-<15 |
>= 15-< 40 |
>= 40-< 80 |
>= 80-<1... |