Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Das Recht auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil wird auch dann i.S.v. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG beendet, wenn ein durch das Basisgeschäft indizierter negativer Differenzausgleich durch Nichtausüben der (wertlosen) Forderung aus dem Termingeschäft vermieden wird (Ergänzung zu den BFH-Urteilen vom 17.4.2007, IX R 40/06, BFH/NV 2007, 1415, BFHE 217, und vom 13.2.2008, IX R 68/07, BFH/NV 2008, 866, BFHE 220, 436).
Normenkette
§ 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 5 EStG 1997
Sachverhalt
K unternahm im Streitjahr 2000 Börsengeschäfte und erklärte im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung Gewinne aus Aktienverkäufen sowie aus der Verwertung von Kauf- (sog. calls) und Verkaufsoptionen (sog. puts) in Höhe von insgesamt 1.113.042,20 DM. Diesen Gewinnen stellte er Verluste aus Währungsgeschäften (248.360,08 DM), aus der Verwertung von Verkaufsoptionen (80.576,32 DM) sowie aus wertlos gewordenen (nicht ausgeübten) Kauf- (1.306.866,35 DM) und Verkaufsoptionen (200.042,54 DM) gegenüber. Das FA gelangte zu der Auffassung, die Aufwendungen aus den nicht ausgeübten Optionen von insgesamt 1.506.908 DM könnten nicht steuerrechtlich abgezogen werden. Es korrigierte für das Streitjahr 2000 den erklärten Saldo von ./. 722.802 DM um die nicht mehr anzusetzenden Verluste aus nicht ausgeübten Optionen und gelangte so zu positiven Einkünften aus Börsengeschäften im Streitjahr 2000 in Höhe von 784.106 DM. Die Klage hatte Erfolg. Das FG war der Auffassung, K könne die Aufwendungen für die Optionsprämien als vergebliche Aufwendungen geltend machen.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die FG-Entscheidung im Ergebnis (FG München, Urteil vom 8.10.2009, 15 K 1050/09, Haufe-Index 2262422, EFG 2010, 222). Seiner Auffassung nach handelt es bei den aufgewandten Optionsprämien nicht um fehlgeschlagene Aufwendungen, sondern um Werbungskosten.
Hinweis
1. Wenn jemand gegen Leistung einer Prämie die Option erwirbt, in einem bestimmten Zeitraum von der Bank zu einem festliegenden Preis bestimmte Basiswerte geliefert zu bekommen, mag es sein, dass die bedingte Forderung wertlos wird, weil man sich am Markt günstiger versorgen kann. Die Frage ist dann, ob die Optionsprämie als Werbungskosten abziehbar ist. Steuertatbestand ist das Termingeschäft. Die BFH-Entscheidung erging zwar zum alten Recht, dürfte aber auch für das aktuelle Recht bedeutsam sein. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a EStG ist steuerbar der Gewinn bei Termingeschäften, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt.
2. Termingeschäfte sind private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG), durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt, sofern der Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil nicht mehr als ein Jahr beträgt.
3. Das Recht wird beendigt, wenn es zu einem Differenzausgleich führt. Denn den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG erfüllt nur, wer durch die Beendigung des erworbenen Rechts tatsächlich einen Differenzausgleich erlangt; die Vorschrift erfasst nur Vorteile, die auf dem Basisgeschäft beruhen. Dies kann geschehen, indem das Basisgeschäft durchgeführt wird und der aus dem Termingeschäft Verpflichtete die entsprechenden Basiswerte liefert. Kommt es aber – wie bei Derivatgeschäften üblich – nicht zu einem Basisgeschäft, wird das Termingeschäft z.B. auch durch einen Barausgleich beendet, wie dies z.B. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a WpHG (n.F.) explizit regelt. Dieser Barausgleich ist der Differenzausgleich i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG. Das Gesetz erfasst mit dem Barausgleich nicht nur eine positive Differenz, sondern folgerichtig auch eine negative Differenz als Verlust. Vorteil i.S.d. Vorschrift kann danach auch der Nachteil sein, soweit er auf dem Basisgeschäft beruht.
4. So verhält es sich auch, wenn eine Option wertlos wird, weil der Wert eines Bezugsobjekts oder einer sonstigen Referenzgröße zum Fälligkeitszeitpunkt vom festgelegten Betrag (dem Basiswert) negativ abweicht. Dieser Nachteil (negativer Differenzausgleich) beruht ebenso wie der entsprechende Vorteil (positiver Differenzausgleich) allein auf den Wertverhältnissen des Basisgeschäfts.
Als Beispiel diene die Call-Option: Erhält der Käufer einer Option gegen Zahlung eines Entgelts das Recht, an einem bestimmten Tag vom Verkäufer der Option den Verkauf einer bestimmten Menge eines Bezugsobjekts zu einem beim Kauf festgelegten Preis (Basiswert) zu verlangen (Definition der Call-Option) und liegt der Preis des Bezugsobjekts über dem festgelegten Basiswert, so wird ein Barbetrag (Barausgleich) als Differenzausgleich gezahlt. Denn in der Regel ist der Anleger nicht am Bezugsobjekt interessiert, sondern an der Differenz als konstituierendem Element des Termingeschäfts. Umgekehrt: Liegt der Basiswert unt...