Hinweise zur Vermeidung strafrechtlicher Risiken
[Ohne Titel]
RA, FAStR Dipl.-Fw (FH) Dirk Beyer
Die Neuregelung des § 153 Abs. 4 sieht eine besondere Mitwirkungspflicht vor, welche die (Anschluss-)Außenprüfung und Veranlagung beschleunigen soll, indem nach Meinung des Gesetzgebers der Steuerpflichtige durch diese Norm verpflichtet werde, seine Jahresabschlüsse selbst an die Ergebnisse der vorangegangenen Außenprüfung anzupassen (Gesetzesentwurf v. 19.9.2022, BT-Drucks. 20/3436, 87). Die genaue Auslegung der Neuregelung wirft zahlreiche Fragen auf, so dass die Rechtsprechung hierzu abzuwarten bleibt.
1. Einleitung
Die Regelung des § 153 AO sieht verschiedene Anzeige- und Berichtigungstatbestände vor, die nunmehr um die Regelung des § 153 Abs. 4 AO n.F. ergänzt worden sind.
- In der Praxis der laufenden Steuerberatung sollte vorläufig – wenn Sicherheit gewollt ist – eine eher extensive Auslegung der neuen Mitwirkungspflicht zugrunde gelegt werden.
- In der Verteidigungsposition wird hingegen zu prüfen sein, welche Begründungsgansätze für eine restriktive Auslegung sprechen.
2. Sachverhalt
Unternehmer U hatte im Januar 2020 ein Grundstück samt Immobilie für einen Gesamtkaufpreis von EUR 1 Mio. gekauft. Aufgrund einer eigenen Bewertung der Immobilie hat er den Kaufpreis aufgeteilt, ein jährliches Abschreibungsvolumen (AfA für Gebäude) i.H.v. EUR X errechnet und in den Jahren 2020–2023 jährlich in seiner Einkommensteuererklärung geltend gemacht.
Im Rahmen einer im Juli 2023 angeordneten Außenprüfung für die Jahre 2020–2022 kam der Prüfer aufgrund einer selbst durchgeführten Immobilienbewertung zu dem Schluss, dass die Aufteilung des Gesamtkaufpreises unzutreffend war und die jährliche AfA daher geringer ist. Es ergingen formell rechtskräftige Änderungsbescheide für 2020–2022 und für das Jahr 2023 erging im März 2025 eine Prüfungsanordnung.
Ist U aufgrund Abs. 4 n.F. verpflichtet, seine bereits abgegebene Steuererklärung für 2023 hinsichtlich der AfA zu korrigieren?
3. Hinweise zur Auslegung des Abs. 4 AO n.F.
Wortlaut: Nach dem Wortlaut des § 153 Abs. 4 AO muss der Steuerpflichtige offenlegen, dass sich eine bestimmte Prüfungsfeststellung, welche in formell bestandskräftigen Bescheiden umgesetzt worden ist, auch auf weitere Sachverhalte in anderen – noch nicht steuerlich verjährten – Besteuerungszeiträumen auswirkt. Er muss somit eine Tatsachenmitteilung abgeben und kann hierbei eine abweichende Rechtsansicht vertreten (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 153 AO Rz. 33 [9/2023]). Eine Pflicht zur Anpassung von Jahresabschlüssen ergibt sich hingegen nach zutreffender Ansicht nicht aus Abs. 4 (vgl. Randt, DAI-Skript, 38. Jahrestagung Steuerstrafrecht, S. 108). Dem Gesetzgeber ist somit aufgrund des Normwortlautes die Umsetzung seiner oben genannten gesetzgeberischen Absicht nicht vollständig geglückt.
Eine wesentliche Voraussetzung der neuen Mitwirkungspflicht ist, dass es sich um denselben (nämlichen) Sachverhalt handelt, der Auswirkungen auf andere, nicht im Rahmen der Außenprüfung geprüfte Steuererklärungen besitzt (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 153 AO Rz. 31 [9/2023]). Hiermit sind z.B. Sachverhalte mit Dauerwirkung (Dauersachverhalte) gemeint die in die Zukunft fortwirken, nicht jedoch Sachverhalte mit Dauerwiederkehr, die sich in der Zukunft ständig wiederholen. Denn hierbei handelt es sich um einen jeweils neuen Sachverhalt. Beachten Sie: § 153 Abs. 4 AO gilt nach seinem Wortlaut nicht für neue Sachverhalte, so dass nach zutreffender Ansicht Sachverhalte mit Dauerwiederkehr nicht gemeint sein können.
Beispiel:
Die Anpassung von Verrechnungspreisen in einer BP löst keine Mitwirkungspflicht nach Abs. 4 AO aus, weil es sich jährlich um neue Geschäftsvorfälle und nicht um den nämlichen Sachverhalt handelt (Busch, DB 1562, 1563).
Anwendungsstichtag: Die Neuregelung gilt für nach dem 31.12.2024 entstehende Steuern und Steuervergütungen sowie für früher entstandene Steuern und Steuervergütungen, für die nach diesem Stichtag eine Prüfungsanordnung bekanntgegeben wird (Art. 97, § 37 Abs. 2 und Abs. 3 EGAO).
4. Lösung des Falles
Unterscheidung zwischen Tatsachen und Rechtsfragen: Eine Mitwirkungspflicht des U aus § 153 Abs. 4 AO n.F. setzt nach dessen Wortlaut zunächst voraus, dass es sich bei der Bewertung der Immobilie als AfA-Bemessungsgrundlage um einen Sachverhalt, also eine Tatsache, handelt. Die zutreffende Kaufpreisaufteilung zwischen dem Kaufpreisanteil für ein Grundstück und dem Kaufpreisanteil für die Immobilie ist in der Praxis oftmals umstritten und aufgrund der komplexen Bewertungsverfahren für Immobilien ist es nicht sofort einsichtig, dass die jeweilige Bewertung eine bloße Tatsache und keine Rechtsfindung sein soll. Andererseits kann der Einfluss wertender Elemente in manchen Fällen der Qualifizierung als Sachverhalt nicht entgegenstehen, weil wertende Elemente (die Rechtsfindung) notwendigerweise mit einer Sachverhaltsfeststellung verbunden sein können.
Tatsächliche Verständigung: Zwar...