Zusammenfassung
Praxisveräußerung oder Praxisaufgabe werfen steuerlich eine Reihe von typischen Einzelproblemen auf. Der folgende Beitrag befasst sich mit dem Wahlrecht zwischen Sofort- und Zuflussbesteuerung bei Veräußerung der Praxis gegen wiederkehrende Bezüge. Was beim Tod eines Freiberuflers, bei Praxisübertragungen zwischen nahen Angehörigen und Aufnahme von Partnern in Einzelpraxen zu beachten ist, wird ebenfalls erläutert. Besprochen werden auch die teilentgeltliche Praxisübertragung sowie die Übertragung gegen private Versorgungsleistungen. Darauf, dass bei Wahl des richtigen Veräußerungszeitpunkts eine Progressionsentzerrung stattfindet, wird ebenfalls hingewiesen. Bedacht werden muss schließlich, dass eine Praxisveräußerung im Fall der Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung die sog. Übergangsbesteuerung auslöst.
1 Praxisveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge
1.1 Sofortige oder sukzessive Besteuerung
Der Gewinn aus der Veräußerung einer Praxis oder eines Anteils an einer Praxis ist auch dann bereits im Zeitpunkt der Veräußerung zu versteuern, wenn der Veräußerungserlös in Form wiederkehrender Bezüge bezahlt wird. Rechtsprechung und Verwaltung räumen dem Steuerpflichtigen in diesen Fällen aber ein Wahlrecht ein, entweder den Kapitalwert der Rente zum Zeitpunkt der Betriebsveräußerung als Erlös anzusetzen oder die einzelnen Rentenzahlungen bei Zufluss als nachträgliche Betriebseinnahmen zu versteuern.Dies gilt jedoch nur, wenn es sich um Bezüge handelt, die lebenslang zu zahlen sind oder eine feste Laufzeit von mehr als 10 Jahren haben und primär der Versorgung oder bei besonders langer Laufzeit mindestens auch der Versorgung des bisherigen Betriebsinhabers oder Mitunternehmers dienen.
Beim Verkauf einer Praxis oder eines Anteils an einer Praxis auf Leibrentenbasis kann der Veräußerer somit wählen, ob er den Veräußerungsgewinn sofort im Zeitpunkt des Verkaufs begünstigt nach §§ 16, 34 EStG oder nachträglich sukzessiv mit dem regulären Steuersatz bei Zufluss der Rente versteuert. Die Sofortbesteuerung ist der gesetzliche Normalfall und die Zuflussbesteuerung eine auf Billigkeitserwägungen beruhende Ausnahmeregelung.
Zuflussbesteuerung nur bei ausdrücklicher Wahl
Zu einer laufenden zeitlich gestreckten Besteuerung der betrieblichen Veräußerungsrente als nachträgliche Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit (sog. Zuflussbesteuerung) kommt es nur, wenn diese Art der Besteuerung ausdrücklich im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung gewählt wird.
Zeitpunkt der Ausübung des Wahlrechts
Das Wahlrecht zugunsten der sukzessiven Besteuerung muss spätestens bis zur Bestandskraft der Einkommensteuerveranlagung des Jahres, in dem der Veräußerungsgewinn erzielt wurde, ausgeübt werden.
Der BFH hat entschieden, dass ein Antrag auf nachgelagerte Besteuerung auch noch im Einspruchsverfahren gegen einen geänderten Steuerbescheid gestellt werden kann, wenn dieser Antrag bei der ursprünglichen Veranlagung nicht gestellt worden ist. Das Wahlrecht kann auch noch im Einspruchsverfahren gegen einen gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten steuererhöhenden Bescheid ausgeübt werden. Wird ein solcher Änderungsbescheid angefochten, so folgt jedoch aus § 351 Abs. 1 AO, dass die Änderung der Antrags- bzw. Wahlrechtsausübung nur dann möglich ist, wenn die dadurch zu erzielende Steueränderung den durch die partielle Durchbrechung der Bestandskraft gesetzten Rahmen nicht verlässt.
1.1.1 Sofortbesteuerung
Wählt der Verkäufer die Sofortbesteuerung, wird die Differenz zwischen dem kapitalisierten Barwert der Rente (nach Abzug der vom Veräußerer getragenen Veräußerungskosten) und dem Buchwert des steuerlichen Kapitalkontos im Zeitpunkt der Veräußerung als tarifbegünstigter Veräußerungsgewinn nach §§ 16, 34 EStG versteuert. Die später zufließenden Rentenzahlungen sind bei der Sofortbesteuerung beim Verkäufer nur noch mit ihrem Ertragsanteil gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG als sonstige Einkünfte steuerbar.
Erhöht sich die Rente später aufgrund einer Wertsicherungsklausel, ändert dies nichts an der Höhe des Veräußerungsgewinns. Eine steuerliche Auswirkung ergibt sich nur insoweit, als der Ertragsanteil der Rente unter Einbeziehung des Erhöhungsbetrags berechnet wird, wobei der bisherige Prozentsatz unverändert bleibt.