Eine steuerbegünstigte Praxisveräußerung nach § 18 Abs. 3 EStG setzt voraus, dass sämtliche wesentlichen Grundlagen der selbstständigen Tätigkeit entgeltlich und definitiv auf einen anderen übergehen. Nur wenn diese übertragen, die stillen Reserven aufgedeckt und die bisherige freiberufliche Tätigkeit wenigstens für eine gewisse Zeit eingestellt wird, sind die Steuervergünstigungen erreichbar.
Was wesentliche Betriebsgrundlage ist, wird im Zusammenhang mit einer Praxisveräußerung normspezifisch nach der "quantitativ-funktionalen" Betrachtungsweise beurteilt. Wesentliche Betriebsgrundlagen sind danach die Wirtschaftsgüter, die nach der Art des Betriebs und ihrer Funktion im Betrieb für diesen wesentlich sind, und auch die Wirtschaftsgüter, die funktional unwesentlich sind, aber erhebliche stille Reserven enthalten.
Zu den wesentlichen wirtschaftlichen Grundlagen einer freiberuflichen Praxis gehören insbesondere die immateriellen Wirtschaftsgüter der Praxis wie Mandanten- oder Patientenstamm und Praxiswert. Aber auch das im Eigentum des Veräußerers stehende Praxisgebäude gehört i. d. R. zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen. Es ist i. d. R. funktional eine wesentliche Betriebsgrundlage, quantitativ gehört es zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen, wenn es, wie meist, erhebliche stille Reserven beinhaltet.
Dementsprechend hat der BFH entschieden, dass ein für Zwecke einer Steuerberatersozietät genutztes Gebäude eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage ist, weil das Gebäude die räumliche und funktionale Grundlage für den Betrieb bildet. Entsprechendes gilt für eine Büroetage, in der ein Steuerberater seine Einzelpraxis betreibt.
Zurückbehaltung des Praxisgebäudegrundstücks
Wird ein Praxisgebäude, das zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehört, nicht mitveräußert, sondern zurückbehalten und in das Privatvermögen überführt, ist der Gewinn dennoch begünstigt. In diesem Fall liegt eine Praxisaufgabe vor, die als Praxisveräußerung gilt.
Die körperlichen Wirtschaftsgüter der Praxis, z. B. Büroeinrichtung, Geräte, Kfz, Bibliothek und EDV-Anlage, sind häufig im Hinblick auf die herausragende Bedeutung des Praxiswerts funktional nur wesentlich, wenn sie individuell auf die Bedürfnisse der Praxis zugeschnitten und nicht kurzfristig durch jedermann beschaffbar sind. Quantitativ können derartige Wirtschaftsgüter, wenn sie erhebliche stille Reserven enthalten, aber durchaus zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehören.
Forderungen sind keine wesentlichen Betriebsgrundlagen. Entsprechendes gilt für Verbindlichkeiten. Es ist daher für die Gewährung der Tarifprivilegien unschädlich, wenn Forderungen und Verbindlichkeiten zurückbehalten werden.
Nicht erforderlich ist also, dass alle Wirtschaftsgüter, die zum Betriebsvermögen des Betriebs gehörten, veräußert werden. Es ist möglich, dass unwesentliche Betriebsgrundlagen als Betriebsvermögen zurückbehalten und erst später – und dann nach § 24 Nr. 2 EStG nicht tarifbegünstigt – verwertet werden.
Werden Verbindlichkeiten zurückbehalten, bleiben sie jedoch nur Betriebsvermögen mit der Folge, dass darauf entfallende Schuldzinsen als nachträgliche Betriebsausgaben abziehbar sind, soweit sie aus dem Veräußerungserlös oder der Verwertung von Aktivvermögen nicht beglichen werden konnten.