Leitsatz
1. Ein Unternehmer, der ein Gebäude errichtet, das er teilweise unternehmerisch und teilweise nichtunternehmerisch (zu eigenen Wohnzwecken) nutzt, darf das Gebäude insgesamt seinem Unternehmen zuordnen und die auf das gesamte Gebäude – einschließlich des nichtunternehmerisch genutzten Teils – entfallenden Vorsteuerbeträge nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 UStG abziehen.
2. Die (teilweise) Verwendung des dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes für den privaten Bedarf des Unternehmers ist keine steuerfreie Grundstücksvermietung i.S.d. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG und schließt deshalb den Vorsteuerabzug nicht gem. § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG aus (Änderung der Rechtsprechung).
3. Die nichtunternehmerische Verwendung des Gebäudes unterliegt als steuerpflichtiger Eigenverbrauch der Umsatzbesteuerung.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b UStG 1993 in der bis zum 31.3.1999 geltenden Fassung , § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG 1993 in der bis zum 31.3.1999 geltenden Fassung , § 15 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStG 1993 in der bis zum 31.3.1999 geltenden Fassung , Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-RL , Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-RL , Art. 13 Teil C Satz 1 Buchst. a der 6. EG-RL , Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger errichtete 1995 ein Gebäude, das er (insgesamt) seinem Unternehmen zuordnete und seit Fertigstellung teilweise unternehmerisch und teilweise für eigene Wohnzwecke nutzt. Er machte die gesamte Vorsteuer geltend und erklärte bezüglich der privaten Wohnnutzung einen steuerpflichtigen Eigenverbrauch. Das FA beurteilte die nichtunternehmerische Nutzung des Gebäudes als steuerfreien Eigenverbrauch und versagte dem Kläger insoweit den Vorsteuerabzug.
Entscheidung
Der BFH entschied wie im Leitsatz wiedergegeben.
Hinweis
Die Besprechungsentscheidung ist lediglich die Umsetzung des im Leitsatz erwähnten EuGH-Urteils in der Sache "Seeling" (BFH-PR 2003). Danach gelten bei teilweiser privaten Nutzung eines Gebäudes folgende Grundsätze:
- Ein Unternehmer, der ein Gebäude errichtet/erwirbt, das er teilweise unternehmerisch und teilweise nichtunternehmerisch (zu eigenen Wohnzwecken) nutzt, darf das Gebäude (gar nicht, teilweise oder auch) insgesamt seinem Unternehmen zuordnen und die auf das gesamte Gebäude – einschließlich des nichtunternehmerisch genutzten Teils – entfallenden Vorsteuerbeträge abziehen.
- Die (teilweise) Verwendung des dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes für den privaten Bedarf des Unternehmers ist keine steuerfreie Grundstücksvermietung i.S.d. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG – so noch die ältere und vom BFH ausdrücklich aufgegebene Rechtsprechung. Der Vorsteuerabzug ist deshalb nicht gem. § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen.
- So weit der Unternehmer das dem Unternehmen insgesamt zugeordnete Gebäude für nichtunternehmerische Zwecke benutzt, ist diese unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG als steuerpflichtigen Eigenverbrauch zu besteuern.
Beachten Sie: Bei Errichtung oder steuerpflichtiger Gebäudelieferung bedeutet die auch bei teilweiser Privatnutzung mögliche vollständige Zuordnung zum Unternehmen trotz Versteuerung des Eigenverbrauchs einen erheblichen Finanzierungsvorteil (sofortige Vorsteuererstattung).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.7.2003, V R 39/99 (Nachfolgeentscheidung zu EuGH, Urteil vom 8.5.2003, Rs. C-269/00 – Seeling –)