Die Vollkostenrechnung hat in der Praxis verschiedene systembedingte Nachteile. Einer davon ist die Tatsache, dass es nicht ohne weiteres möglich ist, den Erfolg einzelner Produkte, Dienstleistungen oder Aufträge auszuweisen. Für ein Unternehmen ist ein Produkt erfolgreich und sollte aus betriebswirtschaftlicher Sicht weiter im Programm gehalten werden, wenn der Umsatz höher liegt als die variablen Kosten, es also einen positiven Deckungsbeitrag erwirtschaftet. Grundsätzlich gilt: Je höher der Deckungsbeitrag, desto mehr sollten die Verkaufsanstrengungen für das jeweilige Produkt gefördert werden. Eine Programmoptimierung bzw. Auslastungsplanung sollte stets so erfolgen, dass die deckungsbeitragsstarken Artikel besonders gefördert und die weniger starken Produkte in den Verkaufsbemühungen in den Hintergrund rücken. Produkte, die keinen positiven Deckungsbeitrag erwirtschaften, sollten aus rein betriebswirtschaftlichen Aspekten nicht weiter im Sortiment verweilen. Für jeden Unternehmer und seine Führungskräfte aus Produktion und Vertrieb ist daher die Kenntnis zumindest der ungefähren Höhe der Erfolgsbeiträge von zentraler Bedeutung, um derartige Entscheidungen richtig treffen zu können.
Deckungsbeitrag = Umsatz – variable Kosten
Im weiteren Verlauf werden die Begriffe "Produkterfolg", "Erfolgsbeitrag" und "Deckungsbeitrag" sowie "variable Kosten" und "Einzelkosten" aus Vereinfachungsgründen synonym verwendet.
Die Aussagen im Beitrag und das Beispiel beziehen sich auf produzierende Betriebe, die ihre Produkte mit Hilfe einer Zuschlagskalkulation kalkulieren. Das Gesagte gilt in den Grundsätzen auch für Dienstleister und Handwerksbetriebe. Die Modifikationen lassen sich auch dort mit ähnlichem Aufwand vornehmen.
Keine produktspezifischen Aussagen mit der Vollkostenrechnung möglich
Die klassische Vollkostenrechnung und die auf ihr basierenden Kalkulationsverfahren, z. B. die nach wie vor weit verbreitete Zuschlagskalkulation, weisen Deckungsbeiträge aber regelmäßig nicht aus, und so können in Unternehmen mit mehreren Produkten in dieser Sache keine unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden, bzw. es besteht immer das Risiko von Fehlentscheidungen. Das Problem ließe sich grundsätzlich mit der Einführung einer Deckungsbeitragsrechnung (DBR) lösen. Allerdings ist nicht nur die Einführung einer DBR mit relativ hohem Aufwand verbunden, sondern auch deren Pflege. Hinzu kommt, dass ein Betrieb sowohl Vollkosten- als auch Deckungsbeitragsrechnung parallel laufen lassen muss, da die Vollkostenrechnung u. a. zur Bewertung von Halb- und Fertigwaren benötigt wird.
Typische Fragen, die ein Unternehmer beantworten muss, bei der er aber keine oder unzureichende Entscheidungsunterstützung bei der Verwendung der Vollkostenrechnung erhält, sind:
- Welchen Erfolgs- bzw. Deckungsbeitrag leisten die einzelnen Produkte?
- Welche Rangfolge nach Erfolgs- bzw. Deckungsbeitrag gibt es bei den Produkten?
- Bei welchen Produkten lohnt es sich aus betriebswirtschaftlichen Gründen, diese verstärkt anzubieten und zu verkaufen? Welche Erzeugnisse sollten nicht mehr gefördert bzw. ggf. sogar aus dem Programm genommen werden?
- Welche Preisuntergrenzen gibt es für die einzelnen Produkte?
- Erwirtschaften Produkte, bei denen die Vollkostenrechnung einen Verlust ausweist bzw. bei denen ein Marktpreis gegeben ist, der nicht alle Kosten deckt, tatsächlich einen Verlust für das Unternehmen?
Positive Deckungsbeiträge von zentraler Bedeutung
Vor allem die Beantwortung der letzten Frage ist für viele Betriebe von zentraler Bedeutung. Weist die Vollkostenkalkulation einen Preis aus, der zwar genommen werden müsste, um kostendeckend und Gewinn bringend zu arbeiten, der sich aber am Markt nicht durchsetzen lässt, bedeutet das nicht automatisch, dass das Unternehmen mit dem Verkauf dieses Produktes tatsächlich einen Verlust erzielt. In der überwiegenden Zahl der Fälle ist es so, dass der Marktpreis zumindest höher liegt als die variablen oder Einzelkosten. Dann lohnt es sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht grundsätzlich, das Produkt weiterzuverkaufen, da es zumindest einen Beitrag zur Deckung der Fixkosten liefert.
Folgt man der Entscheidungsempfehlung der Vollkostenrechnung, entgeht dem Unternehmen der verbleibende Deckungsbeitrag. Die Fixkosten allerdings bleiben bestehen und würde das Produkt aus dem Programm genommen, würde in der Folge der Gewinn trotz gegenteiliger Aussage der Vollkostenrechnung sinken. Dieser Zusammenhang gilt zumindest, solange die frei werdenden Kapazitäten nicht genutzt werden, um ertragsstärkere Erzeugnisse zu fertigen und zu verkaufen. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Markt die ertragsstarken Produkte langfristig nachfragt.