Vor dem Problem einer fehlenden Möglichkeit zur Beurteilung des Produkterfolges stehen meist kleine und mittelständische Betriebe, die regelmäßig mit der Vollkostenrechnung arbeiten, trotz der bekannten Nachteile und dem damit verbundenen Risiko unternehmerischer Fehlentscheidungen.
Es ist Aufgabe der Kostenrechnung, den Führungskräften im Betrieb wirklich entscheidungsrelevante Informationen zu liefern. Dass dies auch mit Hilfe der Vollkostenrechnung zu großen Teilen umzusetzen ist, zeigt das Beispiel der Tool-GmbH.
2.1 Beispielunternehmen und Ausgangslage
Die Tool-GmbH ist ein kleiner Werkzeugproduzent mit etwa 50 Beschäftigten, der z. B. Schraubendreher, Schraubenschlüssel, Zangen oder Hammer in kleineren Stückzahlen von zwanzig- bis dreißigtausend Einheiten pro Jahr fertigt. Kunden sind überwiegend Händler und Gewerbetreibende. Die GmbH ist mit der derzeitigen Fertigung nahezu ausgelastet.
Der Markt ist geprägt von engen Margen, die Preissensibilität der Kunden ist hoch, Preiserhöhungen lassen sich daher kaum durchsetzen. In der Summe ist es dem Betrieb in der Vergangenheit aber stets gelungen, einen ausreichend hohen Gewinn zu erwirtschaften, um auch größere Investitionen vornehmen zu können. Allerdings sinkt der Gewinn in den letzten Jahren trotz insgesamt relativ stabiler Absatzzahlen langsam, aber kontinuierlich. Lediglich bei den Verkaufszahlen einzelner Produkte ist es in der Vergangenheit zu Verschiebungen gekommen.
Produktkosten nicht bekannt
Bis vor etwa vier Jahren war innerhalb der GmbH nicht bekannt, welche Produkte welche Kosten verursachen oder wie man realistische Preise kalkuliert. Bei der Preisgestaltung hat man sich im Wesentlichen an den Wettbewerbern bzw. am Markt ausgerichtet, ohne die eigenen Kostenstrukturen zu kennen. Dann hat sich der Geschäftsführer entschlossen, einen Kostenrechner einzustellen, der sich um die Einführung einer Kostenrechnung und die Schaffung von Kostentransparenz kümmern sollte. Innerhalb weniger Monate hat er eine Kostenrechnung auf Vollkostenbasis mit Zuschlagskalkulation eingeführt.
Erlösstruktur der Produkte untersucht
Die Zuschlagskalkulation zeigt dem Betrieb, dass mit den Preisen eines Großteils der Produkte alle Kosten gedeckt und auch Gewinne erwirtschaftet werden können. Die Vollkostenrechnung weist aber bei einigen Produkten, u. a. bei verschiedenen Schraubendrehern, einen Verlust aus. Daher gibt es Überlegungen, diese Verlustträger aus dem Programm zu nehmen, zumal sich auch der Unternehmensgewinn insgesamt rückläufig entwickelt. Allerdings sind sich alle Verantwortlichen darüber einig, dass man zusätzliche Informationen braucht, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können.
Deckungsbeitragsrechnung zu aufwändig
Der Kostenrechner führt an, dass sich der echte Produkterfolg im Grunde nur mit einer Deckungsbeitragsrechnung ermitteln lässt, bei der für jedes Produkt der Deckungsbeitrag ermittelt wird. Die Einführung und Pflege einer DBR kommen für den Geschäftsführer aber vor allem aus Zeit- und Kostengründen nicht in Betracht. Ein Gespräch mit einem externen Berater hat dazu geführt, dass man sich in der GmbH für eine alternative Lösung entschieden hat, die deutlich weniger Zeit- und Pflegeaufwand benötigt, da mit der bestehenden Vollkostenrechnung weiter gearbeitet werden kann. Um zu relativ genauen Produkterfolgsaussagen zu gelangen, sind lediglich in kleinerem Umfang Modifikationen beim bestehenden Kalkulationssystem vorzunehmen.
2.2 Vorüberlegungen und Voraussetzungen
Bei der GmbH stand man vor der Frage, ob und wie man mit Hilfe der Vollkostenrechnung die Entscheidungsfindung verbessern kann. Ausgangspunkt für den Wunsch nach mehr Transparenz war ein Gespräch zwischen Geschäftsführer und Kostenrechner, in dem über die Vor- und Nachteile der Vollkostenrechnung gesprochen wurde. Vor dem Hintergrund der sinkenden Gewinne wollte der Geschäftsführer mehr über die grundsätzliche Profitabilität und den Erfolgsbeitrag einzelner Produkte erfahren.
Wichtige Voraussetzungen
In einem ersten Schritt haben sich Kostenrechner und Berater zusammengesetzt und nach Möglichkeiten und Alternativen zur Deckungsbeitragsrechnung gesucht. Dabei haben beide schnell erkannt, dass sich auch mit der Vollkostenrechnung relativ genaue Aussagen zum Produkterfolg treffen lassen, wenn bestimmte Modifikationen vor allem bei der Kalkulation vorgenommen werden.
Ausgehend von dem mit der Vollkostenrechnung und der Zuschlagskalkulation ermittelten Netto-Listenpreis kann ein "Deckungsbeitrag" je Produkt errechnet werden, wenn man von diesen Kosten die Einzelkosten eines Produkts abzieht.
Folgende Voraussetzungen müssen mindestens gegeben sein bzw. geschaffen werden:
- Zurechenbarkeit der Umsätze zu einzelnen Produkten
- Zurechenbarkeit der Materialkosten zu einzelnen Produkten
- Zurechenbarkeit der Lohnkosten zu einzelnen Produkten
- Zurechenbarkeit weiterer wichtiger Einzelkostenarten, vor allem Sondereinzelkosten der Produktion und des Vertriebs
- Möglichkeit der Modifikation des Kalkulationsschemas
- Möglichst aktive Unterstützung und Förderung durch die Geschäftsführung
- Informatio...