OFD Frankfurt, Verfügung v. 3.1.2012, S 2295 A - 15 - St 513
1. Progressionsvorbehalt bei zeitweiser unbeschränkter Einkommensteuerpflicht
Nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG unterliegen alle erzielten ausländischen Einkünfte, die im VZ nicht der deutschen Einkommensteuer unterlegen haben, dem Progressionsvorbehalt. Ausgenommen von der Anwendung sind Einkünfte, die nach einem sonstigen zwischenstaatlichen Übereinkommen im Sinne der Nr. 4 steuerfrei sind und die nach diesem Übereinkommen nicht unter dem Vorbehalt der Einbeziehung bei der Berechnung der Einkommensteuer stehen.
Dies gilt nach dem Gesetzeswortlaut unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige außerhalb des Zeitraums der unbeschränkten Steuerpflicht inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG bezogen hat und damit beschränkt oder mangels entsprechender Einkünfte in Deutschland gar nicht steuerpflichtig war.
Beispiel:
Ein in Frankreich ansässiger Steuerpflichtiger (S) arbeitet vom 1.6.2008 bis zum 31.7.2009 bei einem deutschen Arbeitgeber in Frankfurt und bewohnt für diese Zeit in Deutschland eine von ihm gekaufte Eigentumswohnung. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich vermietet er die Wohnung in Frankfurt an einen deutschen Kollegen.
Lösung:
In der Zeit vom 1.6.2008 bis 31.7.2009 ist er durch seinen inländischen Wohnsitz unbeschränkt steuerpflichtig. Bis dahin war er in Deutschland überhaupt nicht steuerpflichtig und danach wird er aufgrund inländischer Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG beschränkt steuerpflichtig.
Für beide Jahre sind Veranlagungen zur unbeschränkten Steuerpflicht durchzuführen, für das Jahr 2009 sind gem. § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG auch die Vermietungseinkünfte in diese Veranlagung miteinzubeziehen.
Bei beiden Veranlagungen unterliegen die ausländischen Einkünfte des gesamten Kalenderjahres, die nicht der deutschen Einkommensteuer unterlegen haben (z.B. Arbeitslohn in Frankreich vor und nach der Tätigkeit in Deutschland; Einkünfte aus der Vermietung eines Grundstücks in Frankreich) nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG dem Progressionsvorbehalt.
Die Anwendung des Progressionsvorbehalts ist vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt, da der partiell unbeschränkt Steuerpflichtige alle Jahresfreibeträge in voller Höhe bekommt und ohne Progressionsvorbehalt nicht mit dem ganzjährig unbeschränkt Steuerpflichtigen gleichgestellt würde.
Die nach deutschem Steuerrecht zu ermittelnden positiven oder negativen Progressionseinkünfte sind im Mantelbogen ESt 1 A bei Kz. 18/122 einzutragen. § 2a Abs. 1 EStG ist zu beachten.
Der BFH hat mit Urteilen vom 19.12.2001, I R 63/00 (BStBl 2003 II S. 302), 15.5.2002, I R 40/01 (BStBl 2002 II S. 660) und 19.11.2003, I R 19/03 (BStBl 2004 II S. 549) bestätigt, dass auch im Falle einer durch Zu- oder Wegzugs nur zeitweise bestehenden unbeschränkten Steuerpflicht die im Kalenderjahr außerhalb der unbeschränkten Steuerpflicht erzielten Einkünfte im Wege des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen sind. Die Anwendung des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG setzt abkommensrechtlich lediglich voraus, dass das einschlägige DBA die Berücksichtigung eines Progressionsvorbehalts nicht verbietet – die Gestattung der Anwendung des Progressionsvorbehalts durch ein DBA ist nicht Voraussetzung.
2. Progressionsvorbehalt für steuerfreie DBA-Einkünfte
Bei ganzjährig unbeschränkter Steuerpflicht ist § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG einschlägig. Bezieht der Steuerpflichtige nach einem DBA in Deutschland freigestellte (und daher steuerfreie) ausländische Einkünfte, so kommt eine Anwendung des Progressionsvorbehalts nur nicht in Betracht, wenn das entsprechende DBA bei der Freistellungsmethode die Anwendung ausdrücklich ausschließt. Die Normierung des Progressionsvorbehalts in den jeweiligen DBA ist nicht Voraussetzung für die Anwendung.
Im Rahmen des Progressionsvorbehalts sind in der Regel auch ausländische Verluste zu berücksichtigen, die im Inland nicht der Besteuerung unterliegen (negativer Progressionsvorbehalt).
Die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte (siehe auch zur Ermittlung Einkommensteuer/aktuelle Informationen/aktueller Hinweis vom 5.11.2008) sind in die Anlage AUS zu Kz. 19/29.810 bis 813 getrennt nach Staat, Einkunftsquelle und Einkunftsart einzutragen. Soweit jedoch Arbeitslohn vorliegt, sind die Einnahmen in die Anlage N (ab VZ 2011 zusätzlich Anlage N-AUS) zu Kz. 47/48.139 und die Werbungskosten unter Kz. 87.57 bzw. 88.57 einzutragen.
3. Einschränkung des positiven und negativen Progressionsvorbehalts
Zusammen mit der Änderung des § 2a EStG (Hinweis auf neue Karteikarte zum § 2a EStG) durch das JStG 2009 wurde in § 32b Abs. 1 der Satz 2 EStG eingefügt.
Die Anwendung des Progressionsvorbehalts bei nach DBA steuerfreien negativen und positiven ausländischen Einkünften, welche aus einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat bezogen werden, wird bei bestimmten Einkünften ausgeschlossen.
Es handelt sich um folgende Einkünfte aus:
- einer land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätte
- einer gewerblichen Betriebsstätte, die nicht die Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 Satz 1 ESt...