Am besten lässt sich die Schwäche der herkömmlichen Zuschlagskalkulation gegenüber der prozessbasierten Kalkulation anhand eines Beispiels verdeutlichen. Dieses vergleicht die Kalkulation eines Kleinauftrages mit der eines Großauftrages auf Basis der unterschiedlichen Kalkulationsverfahren.
Ausgangsbasis
In beiden Kalkulationsverfahren wird dieselbe Ausgangsbasis zugrunde gelegt (Fertigungsmaterial beim Kleinauftrag 140,- EUR und Fertigungsmaterial beim Großauftrag 12.460,- EUR).
Bezogen auf die Zuschlagskalkulation ergibt sich daraus folgende Kalkulation:
Zuschlagskalkulation |
|
Kleinauftrag |
Großauftrag |
Fertigungsmaterial |
140,- EUR |
12.460,- EUR |
+ Materialgemeinkostenzuschlag 20 % |
28,- EUR |
2.492,- EUR |
= Materialkosten |
268,- EUR |
14.952,- EUR |
Fertigungslöhne |
800,- EUR |
8.860,- EUR |
+ Fertigungsgemeinkostenzuschlag 175 % |
1.400,- EUR |
15.505,- EUR |
= Fertigungskosten |
2.200,- EUR |
24.365,- EUR |
= Herstellkosten |
2.468,- EUR |
39.317,- EUR |
+ Verwaltungsgemeinkostenzuschlag ca.15 % |
370,- EUR |
5.898,- EUR |
+ Vertriebsgemeinkostenzuschlag ca. 20 % |
493,- EUR |
7.863,- EUR |
= Selbstkosten |
3.329,- EUR |
53.078,- EUR |
+ Gewinnzuschlag ca.10 % |
333,- EUR |
5.308,- EUR |
= kalkulierter Angebotspreis |
3.662,- EUR |
58.386,- EUR |
Tab. 2: Schema der Zuschlagskalkulation im Beispiel
Bezogen auf die prozessbasierte Kalkulation ergibt sich folgende Kalkulation:
Prozessbasierte Kalkulation |
|
Kleinauftrag |
Großauftrag |
Fertigungsmaterial |
140,- EUR |
12.460,- EUR |
+ Prozesskosten |
750,- EUR |
750,- EUR |
+ Restgemeinkosten ca. 2 % |
3,- EUR |
249,- EUR |
= Materialkosten |
893,- EUR |
13.459,- EUR |
Fertigungslöhne |
800,- EUR |
8.860,- EUR |
+ Prozesskosten |
1.500,- EUR |
1.500,- EUR |
+ Restgemeinkosten ca. 30 % |
240,- EUR |
2658,- EUR |
= Fertigungskosten |
2.540,- EUR |
13.018,- EUR |
= Herstellkosten |
3.433,- EUR |
26.477,- EUR |
+ Prozesskosten Vertrieb |
480,- EUR |
480,- EUR |
+ Restgemeinkosten ca. 3 % |
103,- EUR |
794,- EUR |
= Selbstkosten |
4.016,- EUR |
27.751,- EUR |
+ Gewinnzuschlag ca.10 % |
402,- EUR |
2.775,- EUR |
= kalkulierter Angebotspreis |
4.418,- EUR |
30.526,- EUR |
Tab. 3: Schema der prozessbasierten Kalkulation
Interpretation der Ergebnisse
Bei einem Vergleich der jeweiligen Ergebnisse kann man grundsätzlich feststellen, dass die Zuschlagskalkulation tendenziell Kleinaufträge zu billig kalkuliert: Im Beispiel wird der Kleinauftrag mit der Zuschlagskalkulation um 756,- EUR zu billig kalkuliert (4.418,- EUR minus 3.662,- EUR).
Dagegen werden Großaufträge bei der traditionellen Zuschlagskalkulation gegenüber der prozessbasierten Kalkulation tendenziell zu teuer kalkuliert. Hier im Beispiel liegt der kalkulierte Angebotspreis des Großauftrages auf Basis der Zuschlagskalkulation um 27.860,- EUR über dem kalkulierten Angebotspreis der prozessbasierten Kalkulation.
Der im Beispiel dargestellte Verzerrungseffekt basiert vor allem darauf, dass bei der herkömmlichen Zuschlagskalkulation der Zuschlag prozentual auf die Einzelkosten erfolgt. So wird einem Auftrag mit einem geringen Materialwert ein entsprechend kleiner Zuschlag auf die Materialeinzelkostenbasis verrechnet. Dies berücksichtigt aber nicht, dass z. B. der Vorgang "Material bestellen" – unabhängig davon, ob es sich um einen Kleinauftrag oder Großauftrag handelt – bei beiden Auftragsgrößen nötig ist und in beiden Fällen die gleichen Kosten hervorruft. Der Effekt, dass der Kleinauftrag zu billig kalkuliert wird, entsteht dadurch, dass die tatsächlich verursachten Kosten nicht voll auf den Kostenträger verrechnet wurden.
Beim Großauftrag wirkt dieser Effekt genau in umgekehrter Richtung. Eine hohe Materialeinzelkostenzuschlagsbasis ruft einen entsprechend größeren Zuschlag hervor, der aber möglicherweise weit über den tatsächlich verursachten Kosten, wie z. B. den Kosten für den Prozess "Material bestellen" und anderen zu berücksichtigenden Prozessen, liegen kann. Daher besteht im Rahmen der traditionellen Zuschlagskalkulation die Gefahr, Großaufträge tendenziell zu teuer zu kalkulieren. Dies führt unter Umständen dazu, dass Sie sich mit der Zuschlagskalkulation (auf Vollkostenbasis) systematisch bei Großaufträgen aus dem Markt kalkulieren, weil Sie zu teuer anbieten, dagegen aber mit Kleinaufträgen, bei welchen Sie von der Tendenz her sogar noch drauflegen, überschüttet werden und am Ende Verluste einfahren, obwohl Sie immer "richtig" kalkuliert haben.
Vorteile der Prozesskostenrechnung gegenüber der traditionellen Zuschlagskalkulation mit Gemeinkostenzuschlägen
- Gemeinkosten werden verursachungsgerecht auf den Kostenträger verrechnet.
- Die Gemeinkosten lassen sich quasi wie ein Fertigungsprozess kalkulieren.
- Verzerrungen und Quersubventionierungen von Produkten werden minimiert (leichte Unschärfe bleibt auch bei der Prozesskostenrechnung bestehen).
- Dadurch ergeben sich in einer produktorientierten Sicht erhebliche Unterschiede im Ergebnis; vor allem im Hinblick auf die Aussage, welche Produkte Gewinne und welche Verluste erwirtschaften.
- Das Gleiche gilt im Hinblick auf die Frage, mit welchen Kunden ein Gewinn erwirtschaftet wird und mit welchen Kun...