2.1 Ausgangslage
Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz sind für Arbeitgeber eine besondere Herausforderung, bedingt
- durch die Länge und Intensität der Erkrankungen,
- Fragen der Re-Integration am Arbeitsplatz und
- vor allem den korrekten Umgang mit psychisch erkrankten Beschäftigten.
Arbeitsrechtlich sind deswegen spezielle Fragestellungen zu beachten.
2.2 Entlastung durch Arbeitszeitanpassungen
Insbesondere bei stressbedingten Erkrankungen aber auch durch andere Belastungssituationen ist es denkbar, im Rahmen von Anpassungen der Arbeitszeit für Entlastungen zu sorgen. Diese Anpassungen müssen sich im Rahmen der Vorgaben des ArbZG bewegen.
Arbeitszeitanpassungen, die mit der Verkürzung von Arbeitszeiten einhergehen (und damit i. d. R. auch Gehaltseinbußen bedeuten), können vom Arbeitgeber nicht einseitig vorgegeben werden, da es sich hierbei regelmäßig um eine Änderung der wesentlichen Arbeitsbedingungen handelt, die nur einer Änderungskündigung vorbehalten ist (§ 2 KSchG). Hier ist eine einvernehmliche Vorgehensweise erforderlich, z. B. durch einen gemeinsam verhandelten Zusatz zum Arbeitsvertrag.
2.3 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 EFZG erfährt eine bei psychischen Erkrankungen besondere Problematik wegen der oftmals langen Dauer der Erkrankung aber auch häufigeren Krankheitsfällen.
Grundsätzlich ist das Entgelt für eine Erkrankungsdauer von 6 Wochen fortzuzahlen, die nicht an einem Stück auftreten müssen. Erkrankt ein Beschäftigter innerhalb eines Jahres mehrfach an derselben Krankheit, werden die Krankheitszeiten addiert.
Nach diesen 6 Wochen bekommt der Beschäftigte (im Regelfall der gesetzlichen Krankenversicherung) Krankengeld von seiner Krankenkasse.
Erkrankte Arbeitnehmer haben alles zu unterlassen, was einer schnellen Gesundung zuwiderlaufen würde. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein erkrankter Arbeitnehmer nur zu Hause weilen muss, sondern einkaufen, in den Urlaub fahren oder anderen Freizeitaktivitäten nachgehen kann, solange seine Gesundung dadurch nicht gefährdet wird. Ist der Arbeitnehmer mit Wissen des Arbeitgebers in einem zweiten Arbeitsverhältnis beschäftigt, so muss eine Krankschreibung auch hier erfolgen.
Kein Fragerecht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber erfährt im Rahmen der Krankschreibung nicht, woran der Beschäftigte erkrankt ist, und hat kein dementsprechendes Fragerecht – auch nicht aufgrund der Fürsorgepflicht aus § 618 BGB!
2.4 BEM bei psychischen Erkrankungen
Da es grundsätzlich möglich ist, dass ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer kündigt, wenn dieser krankheitsbedingt zur vertragsgemäßen Arbeitsleistung nicht (mehr) in der Lage ist, kommt dem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 167 Abs. 2 SGB IX eine weitreichende Bedeutung zu. Ob ein Arbeitsverhältnis wegen einer krankheitsbedingten Leistungsminderung gekündigt werden kann, ist v.a. das Ergebnis der Interessenabwägung bzw. Verhältnismäßigkeitsprüfung, die immer auch Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen im arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzprozess ist. Hierbei spielt auch das BEM eine wichtige Rolle.
2.4.1 Was ist ein BEM?
Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, ist der Arbeitgeber nach § 167 Abs. 2 SGB IX verpflichtet, ein BEM anzubieten, unabhängig davon, ob er eine Kündigung beabsichtigt oder nicht. Eine betriebsärztliche Begutachtung ersetzt nicht das BEM. § 167 SGB IX enthält nur eine Verpflichtung des Arbeitgebers, nicht auch einen Anspruch des betroffenen Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber muss zusammen mit dem betroffenen Arbeitnehmer, der zuständigen Arbeitnehmervertretung (z. B. dem Betriebsrat oder der Mitarbeitervertretung), einer Vertrauensperson, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung und ggfs. auch mit dem Betriebsarzt klären, wie die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit überwunden werden und mit welchen Vorkehrungen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann.
Das BEM ist beendet, wenn beide Seiten das übereinstimmend feststellen oder der Arbeitnehmer nicht mehr teilnehmen will.
Die Regelung des Verfahrens erfolgt in einer Betriebsvereinbarung oder Integrationsvereinbarung.
2.4.2 Verfahren
Zum Verfahren selbst schreibt das Gesetz keine konkreten Maßnahmen vor. Es gehören alle Maßnahmen dazu, zu denen der Arbeitgeber zur Vermeidung von Kündigungen verpflichtet ist, wie z. B. die Veränderung der Arbeitsaufgabe oder der Arbeitsbedingungen, die Inanspruchnahme gesetzlich vorgesehener Hilfen und Leistungen der Rehabilitationsträger, die Suche nach einem freien "leidensgerechten" Arbeitsplatz in allen Betrieben des Unternehmens bis hin zum "Freiräumen" eines besetzten "leidensgerechten" Arbeitsplatzes durch Verschieben von Arbeitsaufgaben mithilfe des Weisungsrechts.
Bei psychischen Erkrankungen empfiehlt sich oftmals eine stufenweise Wiedereingliederung, die es ermöglicht, therapeutische Behandlungsfortschritte durch langsam steigende Belastungen im Arbeitsleben abzubilden. Dabei liegt es auf der Hand, dass erkennbar von Dritten herrührende Ursachen wie Mobbing oder übermäßige Ar...