2.1 Überblick
Bias in der Literatur
In der Literatur hat sich eine breite Schnittmenge allgemein akzeptierter Bias herauskristallisiert. Aber nur selten wurden Bias bisher in deutschsprachigen Quellen spezifisch im Kontext des Controllings thematisiert. Dagegen sind einige Quellen, die Bias allgemein thematisieren, sogar auf Bestsellerlisten zu finden, beispielsweise das Überblickswerk "Schnelles Denken, langsames Denken" von Nobelpreisträger Kahneman. Tab. 1 zeigt eine Auswahl von zehn Bias, die einerseits in der Literatur oft genannt werden und andererseits in betrieblichen Entscheidungsprozessen – und damit für das Controlling – eine bedeutsame Rolle spielen. Die Tabelle enthält für diese Bias jeweils eine kurze Beschreibung sowie ein Beispiel für mögliche unerwünschte Auswirkungen auf betriebliche Entscheidungen. Für einige Bias ist die englische Bezeichnung üblicher als die deutsche und daher zusätzlich angegeben.
Bezeichnung des Bias |
Beschreibung |
Beispiele für mögliche Auswirkungen auf betriebliche Entscheidungen |
Einbettungseffekt ("Framing") |
Beeinflussbarkeit von Entscheidungen durch Art und Kontext einer Problemformulierung |
Fehlbeurteilung der Leistung eines Geschäftsbereichs durch manipulative Informationsdarlegung im Berichtswesen (z. B. durch ungeeigneten Vergleichsmaßstab) |
Streben nach Bestätigung und Dissonanzfreiheit ("Confirmation Trap") |
Ausblendung oder Unterbewertung von Informationen, die im Widerspruch zu eigenen Entscheidungen und Überzeugungen stehen |
Unzureichende Risikobeurteilung durch Vernachlässigung von Informationen, die gegen eine bereits vorhandene Überzeugung bezüglich eines Lieferanten sprechen |
Leichtigkeit der Erinnerung ("Ease of Recall") |
Überbewertung von Informationen, die besonders prägnant, von persönlichem Interesse oder aus anderen Gründen gut verfügbar sind |
Falsche Beurteilung von Risiken durch aktuellen Unglücksfall mit großem Medienecho oder durch zufällige eigene Erfahrungen |
Überoptimismus und überhöhtes Selbstvertrauen ("Overconfidence") |
Überschätzung von Erfolgsaussichten und eigenen planerischen Fähigkeiten |
Zu niedriger Ansatz des Kostenbudgets eines Projektes oder Unterschätzung von Projektrisiken |
Fehleinschätzungen von Trends, Korrelationen, Konjunktionen |
Unterstellung von Trends, Überschätzung kausaler Zusammenhänge, Überschätzung der Wahrscheinlichkeit der gleichzeitigen Erfüllung mehrerer Annahmen |
Fehlbeurteilung der für ein Budget relevanten Wirkungszusammenhänge |
Herdenverhalten |
Übernahme der Meinung anderer ohne angemessene Kritik |
Innerhalb eines Meetings zu wenig kritisches Hinterfragen der Meinungen von Managern, die ein eigenes Projekt durchsetzen wollen |
Reflektionseffekt |
In Gewinnsituationen Suche nach Sicherheit; in Verlustsituationen Bevorzugung riskanter Alternativen |
Wenig Anstrengungen für Verbesserung von Beschaffungsquellen in Gewinnsituation oder Verfolgung unangemessen riskanter Änderungen bei der Beschaffung in Verlustsituation |
Ausgabeneffekt ("Sunk Costs Effect") |
Nicht mehr beeinflussbare, durch frühere Entscheidungen bestimmte Kosten wirken sich auf aktuell anstehende Entscheidungen aus |
Berücksichtigung irrelevanter Kosten bei Entscheidung über Ersatzzeitpunkt einer Fertigungsanlage oder Nachschuss von Finanzmitteln, obwohl Projekterfolg nicht mehr erreichbar |
Unzureichende Anpassung weg vom Anker ("Anchoring") |
Verzerrende Beeinflussung von Einschätzungen durch Heranziehung eines Referenzwerts als Anker, der als Ausgangspunkt dient |
Falsche Beurteilung der für eine Investition notwendigen Finanzmittel durch Nutzung einer sehr andersartigen Investition als Anker |
Rückschaufehler ("Hindsight Bias") |
Im Nachhinein Überschätzung dessen, was man vor einem Ereignis über dessen Ausgang gewusst hat |
Fehleinschätzung der Entwicklung von Einkaufspreisen, da aus Fehlern der Vergangenheit nicht gelernt wurde |
Tab. 1: 10 relevante Bias und ihre potenziellen Auswirkungen
2.2 Framing im Berichtswesen
Darstellung beeinflusst menschliche Wahrnehmung
Jeder Sachverhalt lässt sich auf verschiedene Weisen darstellen. Framing bezeichnet den Effekt, dass die Wahrnehmung eines Sachverhalts von dem Rahmen ("Frame") beeinflusst wird, in welchem der Sachverhalt dargestellt wird. Insbesondere lässt sich durch Einbettung einer Information in einen unangemessen positiven oder negativen Kontext das Entscheidungsverhalten beeinflussen.
Beispiele zum Framing
Im Berichtswesen ist die Aufgabe des Controllings, das Management objektiv über relevante Sachverhalte zu informieren. Während die Objektivität die Vermeidung von Framing verlangt, können andere Anforderungen an das Berichtswesen (Effizienz und Effektivität der Berichte) zum bewussten Einsatz von Framing führen, z. B. in Form von Hervorhebungen. Einige Beispiele sollen dies mitsamt der großen Vielfalt von Framing bei der Berichtsgestaltung demonstrieren:
- Informationsauswahl: Sowohl das Weglassen von als auch die Überfrachtung mit Kontextinformationen können die objektive Wahrnehmung d...