Die Komponenten der Funktionsfähigkeit und Behinderung in Teil 1 der ICF können in zweifacher Weise betrachtet werden.
Die Perspektive der Behinderung fokussiert auf Probleme im Gefolge eines Gesundheitsproblems (z. B. Schädigungen von Funktionen/Strukturen oder Beeinträchtigung der Aktivität/Teilhabe), während die Perspektive der Funktionsfähigkeit eher die positiven, nicht-problematischen Aspekte des mit dem Gesundheitsproblem in Zusammenhang stehenden Zustandes in den Mittelpunkt rückt (z. B. trotz einer Unterschenkel-Amputation noch laufen können wie ein Gesunder). Kontextfaktoren stellen den gesamten Lebenshintergrund einer Person dar. Sie sind mögliche Einflussfaktoren, die auf Krankheitsauswirkungen bzw. die Funktionsfähigkeit positiv wie negativ einwirken können, d. h. sie können für eine betroffene Person einen Förderfaktor oder eine Barriere darstellen.
Voraussetzung zur geeigneten Nutzung der ICF ist die Kenntnis ihrer Konzeption ("Philosophie") und ihrer Grundbegriffe. Die einzelnen Komponenten der ICF sind untergliedert in verschiedene Kapitel ("Domänen") mit jeweils mehreren Gliederungsebenen. Sie werden folgendermaßen beschrieben:
Körperfunktionen und Körperstrukturen
Als Körperfunktion werden die einzelnen, isoliert betrachteten physiologischen und psychologischen Funktionen von Körpersystemen bezeichnet, beispielsweise die Insulinausschüttung in der Bauchspeicheldrüse oder die Beweglichkeit im Hüftgelenk. Aber auch die mentalen Funktionen, wie z. B. Konzentrationsfähigkeit, gehören hierzu.
Unter Körperstrukturen versteht man die anatomischen Teile des Körpers wie Organe, beispielsweise die Bauchspeicheldrüse, Gliedmaßen oder einzelne Körperbestandteile wie Stammzellen.
Tabelle 1 listet die von der WHO vorgesehene Kapiteleinteilung in der Untergliederung der 1. Ebene auf.
Tabelle 1: Klassifikation der Körperfunktionen und -strukturen (Kapitelzuordnungen)
Kapitel |
Körperfunktionen |
Kapitel |
Körperstrukturen |
1 |
Mentale Funktionen |
1 |
Strukturen des Nervensystems |
2 |
Sinnesfunktion und Schmerz |
2 |
Auge, Ohr und mit diesen im Zusammenhang stehende Strukturen |
3 |
Stimm- und Sprechfunktion |
3 |
Strukturen, die an der Stimme und dem Sprechen beteiligt sind |
4 |
Funktionen des kardiovaskulären, hämatologischen, Immun- und Atmungssystems |
4 |
Strukturen des kardiovaskulären, des Immun- und des Atmungssystems |
5 |
Funktionen des Verdauungs-, Stoffwechsel- und endokrinen Systems |
5 |
Mit dem Verdauungs-, Stoffwechsel- und endokrinen System im Zusammenhang stehende Strukturen |
6 |
Funktionen des Urogenital- und reproduktiven Systems |
6 |
Mit dem Urogenital- und dem Reproduktionssystem im Zusammenhang stehende Strukturen |
7 |
Neuromuskuloskeletale und bewegungsbezogene Funktionen |
7 |
Mit der Bewegung im Zusammenhang stehende Strukturen |
8 |
Funktionen der Haut und der Hautanhangsgebilde |
8 |
Strukturen der Haut und Hautanhangsgebilde |
Itembeispiele: b1400 Daueraufmerksamkeit, s7503 Bänder und Faszien der Knöchelregion |
Negative Abweichungen werden bei den Körperfunktionen und -strukturen als Schädigungen bezeichnet. Je nach Erkrankung und Stadium sind die Schädigungen unterschiedlich ausgeprägt.
Aktivitäten und Teilhabe (Partizipation)
Im Gegensatz zur isolierten Betrachtung einer Funktion stellt eine Aktivität die Durchführung einer Aufgabe oder einer Handlung durch einen Menschen in einer bestimmten Situation dar. Beeinträchtigungen der Aktivität sind Schwierigkeiten, die ein Mensch bei ihrer Durchführung haben kann, z. B. beim Lernen, Schreiben, Rechnen, Kommunizieren, Gehen, bei der Körperpflege.
Die Teilhabe (Partizipation) kennzeichnet das Einbezogensein in eine Lebenssituation, beispielsweise Familienleben, Arbeitswelt, Fußballverein. Beeinträchtigungen können Probleme beispielsweise beim Einkaufen, Kochen, Wäsche waschen, in Beziehungen, bei der Erziehung von Kindern, bei der Arbeit oder in der Freizeit sein.
Innerhalb dieser Komponente sind verschiedene Lebensbereiche definiert, die der Betrachtung der Durchführung von Aktivitäten bzw. des Einbezogenseins zu Grunde gelegt werden. Eine eindeutige Differenzierung zwischen "individueller" und "gesellschaftlicher" Perspektive der Domänen, also die Trennung zwischen Aktivitäten und Teilhabe [Partizipation], ist dabei oft nicht möglich. Aus diesem Grund sind sie in der ICF in gemeinsamen Kapiteln aufgeführt (Tabelle 2).
Tabelle 2: Klassifikation der Aktivitäten und Teilhabe
Kapitel |
Aktivitäten und Teilhabe (Kapitel der ICF) |
1 |
Lernen und Wissensanwendung (z. B. bewusste sinnliche Wahrnehmungen, elementares Lernen, Wissensanwendung) |
2 |
Allgemeine Aufgaben und Anforderungen (z. B. Aufgaben übernehmen, die tägl. Routine durchführen, mit Stress und anderen psychischen Anforderungen umgehen) |
3 |
Kommunikation (z. B. Kommunizieren als Empfänger oder als Sender, Konversation und Gebrauch von Kommunikationsgeräten und -techniken) |
4 |
Mobilität (z. B. die Körperposition ändern und aufrecht erhalten, Gegenstände tragen, bewegen und handhaben, gehen und sich fortbewegen, sich mit Transportmitteln fortbewegen) |
5 |
Selbstversorgung (z. B... |