Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Bei insolvenzfreier Liquidation einer GmbH realisiert sich der durch einen Eigenkapital ersetzende Finanzierungshilfe als nachträgliche Anschaffungskosten bedingte Veräußerungsverlust eines ehemals wesentlich beteiligten Gesellschafters bereits in dem Zeitpunkt, in dem er erklärt, mit seiner Forderung gegenüber allen gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten der vermögenslosen und überschuldeten GmbH aus einer bankmäßigen Geschäftsverbindung im Rang zurückzutreten.
Normenkette
§ 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 173 Abs. 1, § 169, § 170, § 171 AO, § 17 EStG
Sachverhalt
Die Geschichte ergibt sich bereits aus der Nr. 2, weil die Grundsätze sonst nicht recht verstanden werden können. Das FG (FG München, Urteil vom 04.10.2006, 1 K 893/06, Haufe-Index 1629232, EFG 2007, 352) hatte einen etwas anderen Begründungszusammenhang gewählt und deshalb die Korrekturverpflichtung abgelehnt. Es hatte zwar zutreffend offen gelassen, ob die GmbH (was hier, um den Sachverhalt übersichtlich zu gestalten, unterstellt wurde) schon 1995 in der Krise war. Es hatte aber die Festsetzungsverjährung falsch berechnet.
Entscheidung
Der BFH hat die Entscheidung im Ergebnis bestätigt. Sie litt zwar an einem Rechtsfehler. Die Entscheidung (keine Korrekturpflicht) stellte sich aber aus anderen Gründen als richtig dar.
Hinweis
1. Werden Anteile an einer GmbH veräußert, so kann sich der nach § 17 EStG steuerbare Verlust nachträglich noch erhöhen, wenn der Anteilseigner nach der Veräußerung seiner Anteile z.B. mit einem Eigenkapital ersetzenden Darlehen ausfällt. Ist die Veranlagung des Veräußerungsjahrs schon bestandkräftig, ist sie nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO zu ändern. Konnte der Verlust aber noch im Rahmen der Veranlagung geltend gemacht werden, hilft diese Vorschrift nicht.
2. Dieses Problem stellte sich dem BFH in einem Fall, in dem Herr K, an der GmbH wesentlich beteiligt, ihr 1995 in der Krise ein Eigenkapital ersetzendes Darlehen gab. 1996 veräußerte er seine Beteiligung. 1999 erklärte er der überschuldeten GmbH seinen Rangrücktritt gegenüber allen bankmäßigen Geschäftsverbindungen. 2001 schließlich wurde die GmbH liquidiert. Im ESt-Bescheid 1996 vom 29.09.2000 berücksichtigte das FA keinen Verlust, weil K keine Unterlagen vorgelegt hatte. Nun stellte K 2003 den Antrag, die Veranlagung 1996 zu ändern.
3. Dem BFH stellte sich die alles entscheidende Frage: Wann ist der Veräußerungsverlust realisiert, schon mit der Rangrücktrittserklärung 1999 oder erst mit der Liquidation 2001? Nach der ständigen Rechtsprechung ist der Verlust schon realisiert, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits festgestellten Verlusts nicht mehr zu rechnen ist. Diesen Grundsatz überträgt der BFH auch auf die Ermittlung des Veräußerungsverlusts i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG. Er konnte deshalb die Würdigung des FG bestätigen, wonach bereits mit der (speziellen) Rangrücktrittserklärung die Realisation des Verlusts eintrat.
4. Die Folge ist klar: Weil der Verlust bereits im Rahmen der Veranlagung für 1996 hätte berücksichtigt werden können und müssen, greift § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO für dieses rückwirkenden Ereignis nicht ein.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.07.2008, IX R 79/06