Nach § 153 Abs. 4 AO-E und wohl auch nach der Auffassung von Valbuena / Rennar müsste nunmehr künftig der Steuerpflichtige unaufgefordert mit diesem Sachverhalt an das Finanzamt herantreten und sich reuig mit einem "mea culpa" der Steuersünde bezichtigen. Dies ginge weiter als das Steuerstrafrecht nach dem Grundsatz "nemo tenetur" durch Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 GG verlangen dürfte. Darin zeigt sich der systematische Fehler im Gesetzentwurf resp. der versuchsweisen strafrechtlichen Umdeutung einer vermeintlich unterlassenen Berichtigung nach dem neuen Abs. 4. Aus der Be-r-ichtigungspflicht würde eine Be-z-ichtigunspflicht werden.

Die Gefahr einer strafrechtlich bewehrten Unterlassung einer Berichtigung besteht in Fällen, die nicht ohne weiteres einer abweichenden Beurteilung zugänglich sind. Umgekehrt ist zu fragen, inwiefern für das Finanzamt möglicherweise selber Ermittlungspflichten im Rahmen der §§ 164, 173 AO bestehen, vorausgesetzt, die Bescheide sind dann noch änderbar. Einer Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 4 AO-E bedürfte es dann gar nicht.

Durch § 153 Abs. 4 AO-E und §§ 370, 371 AO wird deshalb offenbar versucht, eine Verlängerung der Festsetzungsfristen herbeizuführen. Auch deshalb wäre es interessant zu prüfen, ob ein Berichtigungszwang nach § 153 Abs. 4 AO-E denn noch gilt, wenn die reguläre Festsetzungsfrist bereits abgelaufen ist. Der Rechtsstreit über eine solche Rechtsanwendung wäre absehbar. Dem Steuerrechtsfrieden wäre mit einer solchen Durchbrechung der Verjährungsfristen durch die Hintertür nicht gedient.

 

Service: Arconada Valbuena/Rennar, Berichtigungspflicht von Steuererklärungen & Co. nach dem neuen § 153 Abs. 4 AO – DAC 7, AO-StB 2022, 292; abrufbar unter steuerberater-center.de

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