Leitsatz

1. Art. 1 Abs. 1 VO Nr. 1788/2003 ist die gemeinschaftsrechtliche Grundlage für die Erhebung einer Abgabe für vermarktete Mengen von Kuhmilch oder anderen Milcherzeugnissen, die die einzelstaatliche Referenzmenge überschreiten.

2. Die nationale Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Milchabgabe ist § 19 MilchAbgV. Diese Vorschrift findet eine ausreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage in § 12 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 MOG. Die fehlende Bezeichnung der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundlage in der Rechtsverordnung stellt keinen Verstoß gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG dar.

3. Ernstliche Zweifel, dass § 19 MilchAbgV mit höherrangigem Recht vereinbar ist, werden weder dadurch begründet, dass die VO Nr. 1788/2003 den Mitgliedstaaten bezüglich der Saldierung mit ungenutzten Teilen der einzelstaatlichen Referenzmenge Spielräume belässt, noch dadurch, dass den Mitgliedstaaten die Einführung eines neuen Systems für die Übertragung von Referenzmengen eröffnet worden ist.

 

Normenkette

Art. 80 Abs. 1 Satz 2, Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG, Art. 1 Abs. 1 VO Nr. 1788/2003, § 1 Abs. 2, § 12 Abs. 2 MOG, § 19 MilchAbgV, § 150, § 168 AO, § 69 Abs. 3 FGO

 

Sachverhalt

Ein Milchbauer überlieferte im Milchwirtschaftsjahr 2004/2005 seine Referenzmenge. Gegen die deshalb von seiner Molkerei abgegebene Abgabeanmeldung erhob er Einspruch; er rügt aus gemeinschaftsrechtlicher und verfassungsrechtlicher Sicht das MOG und die Milchabgabenverordnung (MilchAbgV) und hat vor dem FG erfolglos AdV beantragt.

 

Entscheidung

Der BFH hat die vom FG zugelassene AdV-Beschwerde zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Milchabgabe ist § 19 MilchAbgV. Danach hat die Molkerei dem HZA innerhalb von vier Monaten nach dem Ablauf des jeweiligen Zwölf-Monats-Zeitraums eine Abgabeanmeldung für jeden Milcherzeuger zu übersenden. In dieser wird die Höhe der Überschreitung der Anlieferungs-Referenzmenge und den Abgabenbetrag angegeben. Diese Anmeldung steht nach § 168 Satz 1 AO einer Abgabenfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich und bedarf keiner Zustimmung des HZA. Der Milcherzeuger erhält von ihr durch Mitteilung seiner Molkerei Kenntnis, kann also ggf. Einspruch einlegen.

2. Die Abgabenerhebung ist dem Grund nach im Gemeinschaftsrecht geregelt, allerdings nicht (mehr) in der Grundverordnung über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse, sondern in einer besonderen Verordnung. Gegen diese Regelungstechnik ist indes nichts zu erinnern.

3. Die nationale Durchführungsvorschrift des § 19 MilchAbgV hat in § 12 Abs. 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 MOG eine Ermächtigungsgrundlage, die den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG aufgrund der (dynamischen) Verweisung auf das Gemeinschaftsrecht genügt. Denn die für die Erhebung der Milchabgabe maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften sind ihrerseits ausreichend bestimmt. Das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG verlangt nicht, neben dem MOG in der MilchAbgV auch die einschlägige Gemeinschafts-Verordnung anzuführen.

Der Gesetzgeber musste die in Art. 10 Abs. 3 VO Nr. 1788/2003 enthaltenen Vorschriften über die Zulassung einer Saldierung von Über- und Unterlieferungen nicht wegen der darin eingeräumten Regelungsspielräume selbst ausfüllen.

Das neue gemeinschaftsrechtliche System für die Übertragung von Referenzmengen stand im Entscheidungsfall nicht auf dem Prüfstand, weil der Antragsteller von ihm nicht unmittelbar betroffen war.

Die Rechtsprechung des BVerfG zu Sonderabgaben betrifft die bundesstaatliche Finanzverfassung sowie die Budgethoheit des Parlaments und ist daher bei gemeinschaftsrechtlichen Abgaben nicht einschlägig.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 28.11.2006, VII B 54/06

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