Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Ein steuerbarer Gesellschafterwechsel i. S. d. § 1 Abs. 2a GrEStG liegt vor, wenn es sich um einen Gesellschafterwechsel handelt, der durch einen Neugesellschafter ausgelöst wird, und sich dadurch das Verhältnis der Altgesellschafter zu den Neugesellschaftern zu Lasten der Altgesellschafter verändert.
Beim Gesellschafterwechsel sind unmittelbare und mittelbare Gesellschafterwechsel zu berücksichtigen.
2.2.1 Unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestands
Der Gesellschafterbestand ändert sich unmittelbar, wenn ein Mitgliedsrecht an der Gesellschaft zivilrechtlich wirksam auf ein anderes oder neues Mitglied der Personengesellschaft übergeht.
Ein Gesellschafter ist neu i. S. d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG, wenn er zivilrechtlich erstmals ein Mitgliedschaftsrecht an einer bestehenden grundbesitzenden Personengesellschaft von einem bisherigen Gesellschafter erwirbt oder wenn er innerhalb von 10 Jahren nach dem erstmaligen Erwerb des Mitgliedschaftsrechts seine Beteiligung durch den Erwerb weiterer Anteile am Gesellschaftsvermögen aufstockt. Er verliert grunderwerbsteuerlich die Eigenschaft als neuer Gesellschafter erst mit Ablauf von 10 Jahren; Bei Übertragung bereits bestehender Gesellschaftsanteile liegt ein derivativer Erwerb vor, weil der neue Gesellschafter seine Rechtsposition von dem bisherigen Gesellschafter "erhält". Von einem originären Erwerb ist hingegen auszugehen, wenn mit dem Eintritt neuer Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen durch Kapitalaufstockung vermehrt wird und infolgedessen neue Gesellschaftsanteile entstehen.
2.2.2 Mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands
Da es zivilrechtlich keine mittelbare Änderung eines Gesellschafterbestands gibt und bei der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands zivilrechtlich kein Anteil an der grundbesitzenden Gesellschaft auf einen Neugesellschafter übergeht, scheidet eine Anknüpfung an das Zivilrecht aus. Aus grunderwerbsteuerrechtlicher Sicht ist maßgeblich, wer hinter dem an der grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar beteiligten Gesellschafter steht.
Eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands der grundbesitzenden Personengesellschaft liegt vor, wenn
- ein Mitgliedschaftsrecht an einer Personengesellschaft, die unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt ist, zivilrechtlich wirksam auf ein anderes oder neues Mitglied übergeht,
- eine unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft nach § 1 Abs. 2a Satz 3 bis 5 GrEStG fiktiv neue Gesellschafterin der grundbesitzenden Personengesellschaft wird oder
- sie sich aus schuldrechtlichen Bindungen der an der Personengesellschaft unmittelbar beteiligten Gesellschafter ergibt (z. B. Kaufoption oder Vereinbarungstreuhand).
Liegen lediglich schuldrechtliche Bindungen vor, kann für die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmende Zurechnungsentscheidung unter Beachtung grunderwerbsteuerrechtlicher Besonderheiten auf die Grundsätze des wirtschaftlichen Eigentums zurückgegriffen werden. Dieser Rückgriff erlaubt eine entsprechende Anwendung der Grundsätze des § 1 Abs. 2 GrEStG bei der Zurechnung von Anteilen an grundbesitzenden Personengesellschaften. Entscheidend ist danach, dass über die schuldrechtliche Vereinbarung einem anderen als dem an der grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar Beteiligten eine Wertteilhabe an den Gesellschaftsgrundstücken vermittelt wird. Dazu müssen folgende Kriterien erfüllt sein:
- Der mittelbar Beteiligte hat aufgrund eines Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann (z. B. Herausgabeanspruch aufgrund einer Kaufoption oder eines Treuhandverhältnisses).
- Die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (z. B. Innehaben des Gewinnstammrechts, Befugnis zur Ausübung der Stimmrechte, Widerspruchs- und Kontrollrechte) sind auf den mittelbar Beteiligten übergegangen oder im Sinne des mittelbar Beteiligten auszuüben.
- Das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung (z. B. Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, an einem etwaigen Auseinandersetzungsguthaben sowie dem Liquidationserlös) sind auf den mittelbar Beteiligten übergegangen.
Entscheidend ist das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall. Bei dieser Gesamtbildbetrachtung kann eine vom Zivilrecht abweichende Zurechnung des Anteils auch anzunehmen sein, wenn die vorstehenden Kriterien unterschiedlich stark ausgeprägt sind.
Berechnung der Beteiligung bei doppelstöckigen Personengesellschaften
Mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand von den ...