Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
5.2.1 Allgemeines
Im Rahmen der Anteilsvereinigung ist zu unterscheiden zwischen der unmittelbaren und der mittelbaren Anteilsvereinigung. Bei der Anteilsvereinigung wird ein Erwerb des entsprechenden Grundstücks von der Gesellschaft durch den Gesellschafter fingiert.
Sowohl nur die unmittelbare als auch nur die mittelbare Anteilsvereinigung erfüllen den Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG. Gleiches gilt auch für die Mischform der teils unmittelbaren, teils mittelbaren Anteilsvereinigung.
5.2.2 Unmittelbare Anteilsvereinigung
Eine unmittelbare Anteilsvereinigung i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG liegt vor, wenn sich in der Hand eines Erwerbers unmittelbar mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft vereinigen. Der Erwerber erwirbt einen Anteil an der grundbesitzenden Gesellschaft dann unmittelbar, wenn er zivilrechtlich Gesellschafter dieser Gesellschaft wird.
Anteile der Gesellschaft sind bei Kapitalgesellschaften die Beteiligungen am Gesellschaftskapital, also bei einer GmbH die Geschäftsanteile und bei einer AG die Aktien. Entsprechendes gilt für vergleichbare ausländische Kapitalgesellschaften. Die Höhe der Beteiligung am Gesellschaftskapital einer Kapitalgesellschaft ist ausschlaggebend dafür, ob ein Anteilserwerb zu einer unmittelbaren (oder mittelbaren) Vereinigung von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft beitragen oder führen kann.
GmbH erwirbt Geschäftsanteil
Der einzige verbleibende Gesellschafter einer grundbesitzenden GmbH verwirklicht den Tatbestand einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auch dann, wenn nicht er selbst, sondern die GmbH den Geschäftsanteil des anderen Gesellschafters kauft.
Dieselben Grundsätze gelten auch im Rahmen des § 3 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG.
5.2.3 Mittelbare Anteilsvereinigung
Beim mittelbaren Anteilserwerb, also einem Anteilserwerb, bei dem der Erwerber selbst nicht Gesellschafter der grundbesitzenden Gesellschaft wird, scheidet eine Anknüpfung an das Zivilrecht aus, da es keine Regelungen für einen mittelbaren Anteilserwerb vorsieht. Unter welchen Voraussetzungen ein mittelbarer Anteilserwerb vorliegt, ist unter Berücksichtigung von Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 GrEStG zu beurteilen. Entscheidend kommt es auf die rechtlich begründeten Einflussmöglichkeiten auf die grundbesitzende Gesellschaft an.
Ist die grundbesitzende Gesellschaft eine Kapitalgesellschaft, setzt ein mittelbarer Anteilserwerb, der zu einer Anteilsvereinigung beitragen oder führen kann, voraus, dass der Anteilserwerber sowohl bei der zwischengeschalteten Gesellschaft (Zwischengesellschaft) oder bei den Zwischengesellschaften als auch bei der grundbesitzenden Gesellschaft selbst in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise die rechtliche Möglichkeit hat, seinen Willen durchzusetzen.
Dies ist z. B. bei Vorhandensein einer einzigen Zwischengesellschaft der Fall, wenn der Anteilserwerber mindestens 90 % der Anteile an der Zwischengesellschaft hält und diese ihrerseits zu mindestens 90 % an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist. Ist eine weitere Zwischengesellschaft vorhanden, genügt es, wenn der Anteilserwerber mindestens 90 % der Anteile an der ersten Zwischengesellschaft hält, diese zu mindestens 90 % an der zweiten Zwischengesellschaft und diese wiederum zu mindestens 90 % an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist. Entsprechendes gilt auch bei weiteren Zwischengesellschaften.
Mittelbarer Anteilserwerb
Gesellschafter der X-GmbH, zu deren Vermögen das inländische Grundstück G gehört, sind die Y-GmbH (Anteil von 25 %), A (Anteil von 70 %) und B (Anteil von 5 %). An der Y-GmbH sind C zu 95 % und D zu 5 % beteiligt. C veräußert seinen Geschäftsanteil an der Y-GmbH an A.
A ist zu 70 % unmittelbar an der X-GmbH beteiligt. Nach der Abtretung des Geschäftsanteils an der Y-GmbH an A hält er mittelbar 25 % der Gesellschaftsanteile an der X-GmbH. Er ist nämlich zu 95 % an der Y-GmbH beteiligt, so dass ihm deren Anteile in voller Höhe – nicht lediglich zu 95 % – mittelbar zugerechnet werden. A vereinigt damit mindestens 90 % der Anteile an der X-GmbH in seiner Hand.