Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
5.3.1 Unmittelbare Anteilsvereinigung
Als unmittelbarer "Anteil" an einer grundbesitzenden Gesellschaft in der Rechtsform einer Personengesellschaft ist die gesellschaftsrechtliche Beteiligung zu verstehen, d. h. die aus der Mitgliedschaft in der Personengesellschaft folgende gesamthänderische Mitberechtigung hinsichtlich des (aktiven) Gesellschaftsvermögens. Jeder Gesellschafter hält einen im Vergleich zu den Anteilen der anderen Gesellschafter gleich großen Anteil an der Gesellschaft inne (sog. Pro-Kopf-Betrachtung). Eine Beteiligung an der Personengesellschaft in diesem Sinne hat auch derjenige Gesellschafter inne, der keinen Anteil am Gesellschaftskapital hält wie im Falle der an der KG vermögensmäßig nicht beteiligten Komplementär-GmbH.
Ausscheiden eines von mehreren Gesellschaftern
A und B sind jeweils zu 50 % als Kommanditisten an der grundbesitzenden A/B-KG beteiligt. Komplementär ist der vermögensmäßig nicht beteiligte C. Die Beteiligungsverhältnisse bestehen seit mehr als 10 Jahren.
A erwirbt den 50 %-Anteil des B. C bleibt Komplementär. Der Vorgang unterliegt nicht der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG. Der Komplementär C verhindert die unmittelbare Anteilsvereinigung. A erwirbt keine sachenrechtliche Beteiligung von mindestens 90 %. Anzuwenden ist aber § 1 Abs. 3a GrEStG.
Ausscheiden des vorletzten Gesellschafter
Gesellschafter der X-GbR, zu deren Vermögen das Grundstück G gehört, sind A, B und C mit Anteilen von 80 %, 16 % und 4 % am Gesellschaftsvermögen. B veräußert seinen Gesellschaftsanteil am 1.2.2022 an A. Nach der Übertragung besteht die X-GbR aus den Gesellschaftern A und C.
C scheidet Ende 2022 aus der X-GbR aus.
- Die Gesellschaftsanteile sind unabhängig von der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen gleichwertig. A und C halten jeweils einen Anteil, so dass mit der Übertragung am 1.2.2022 nicht mindestens 90 % der Anteile an der X-GbR in der Hand des A vereinigt werden.
- Der Anteil des Gesellschaftsvermögens des C geht mit dessen Ausscheiden aus der X-GbR auf A über. Es liegt Ende 2022 ein Erwerbsvorgang i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor.
Rechtsprechungsänderung in Sicht?
Der BFH hat in seinem Urteil vom 27.5.2020 zum Ausdruck gebracht, dass viel dafür spricht, dass sich der Anteil der Personengesellschaft auch für die unmittelbare Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft nach der Beteiligung der Gesellschafter am Gesellschaftskapital bestimmt. Umgesetzt hat der BFH dies allerdings bisher noch nicht.
5.3.2 Mittelbare Anteilsvereinigung
Anteile an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft können nicht nur unmittelbar, sondern auch mittelbar über andere Personen oder Zwischenstationen gehalten werden. Mittelbare Beteiligungen werden bei der Prüfung, ob jemand 90 % der Gesellschaftsanteile in seiner Hand vereint, mitgerechnet. Als zwischengeschaltete Person kommen Zwischengesellschaften und Treuhänder in Betracht. Zwischengesellschaften können nicht nur Kapitalgesellschaften, sondern auch Personengesellschaften sein. Die Zwischengesellschaft hält unmittelbar Anteile an der grundstücksbesitzenden Gesellschaft, deren Gesellschafter mittelbar.
Bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft, die unmittelbar oder mittelbar an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist, ist als Anteil i. S. v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG – wie bei einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft – die Beteiligung am Gesellschaftskapital und nicht die sachenrechtliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen maßgebend.
BFH hat frühere Rechtsprechung aufgegeben
Soweit der BFH im Urteil vom 8.8.2001 zu einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG in der für 1989 geltenden Fassung entschieden hat, dass bei einer Personengesellschaft, die an einer anderen Gesellschaft beteiligt ist, die gesamthänderische Mitberechtigung am Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft für eine Zurechnung der Anteile an der anderen Gesellschaft maßgeblich sein soll, wird an dieser Rechtsauffassung nicht mehr festgehalten.
Der Anteil am Vermögen der Personengesellschaft vermittelt regelmäßig, soweit er mindestens 90 % beträgt, die rechtliche Möglichkeit für den beteiligten Gesellschafter, den Willen in der Personengesellschaft in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise durchzusetzen. Diese Möglichkeit hat der Gesellschafter auch in Bezug auf nachgeordnete Gesellschaften, an denen die Personengesellschaft wiederum zu mindestens 90 % beteiligt ist. Die Beteiligung an diesen Gesellschaften ist unmittelbar der Personengesellschaft und mittelbar deren Gesellschafter zuzurechnen. Für die Zurechnung zum qualifiziert beteiligten Gesellschafter ist unerheblich, dass an der zwischengeschalteten Personengesellschaft...