Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. In "Outsourcing-Fällen" sind Arbeitnehmer mit ihrer Ausgliederung regelmäßig auswärts tätig, vergleichbar mit bei Kunden ihres Arbeitgebers tätigen Arbeitnehmern.
2. Ein "Outsourcing-Fall" liegt regelmäßig nicht vor, wenn ein Postbeamter unter Wahrung seines beamtenrechtlichen Status’ vorübergehend am bisherigen Tätigkeitsort einem privatrechtlich organisierten Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG zugewiesen wird.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, § 9 Abs. 5 Satz 1, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG; § 1 Abs. 1, § 2, § 4 PostPersRG; Art. 143b Abs. 3 GG
Sachverhalt
K war als Beamter bei der DTAG (Deutschen Telekom AG, ein Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost) beschäftigt. Ihm wurde vom 1.12.2008 bis 30.7.2010 eine Tätigkeit in der R GmbH, einer 100 %igen Tochtergesellschaft der DTAG, zugewiesen. Grundlage war § 29 Abs. 3, 4 und § 4 Abs. 4 Sätze 2, 3 PostPersRG. Die R GmbH war gegründet worden, um den Bereich, in dem K beschäftigt war, aus der DTAG auszulagern. Beide Unternehmen befanden sich am gleichen Standort; Ks Tätigkeitsstätte selbst blieb unverändert. K machte geltend, dass seine 18 Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte (62 km) ab Zuweisung zur R GmbH (Dez. 2008) nicht mit der Pendlerpauschale, sondern als Reisekosten zu berücksichtigen seien; also 669,60 EUR (18 × 2 × 62 km × 0,30 EUR) und 108 EUR Verpflegungsmehraufwand (18 × 6 EUR). FA und FG (FG Köln, Urteil vom 18.3.2010, 11 K 2225/09, Haufe-Index 2325400, EFG 2010, 1027) lehnten dies ab.
Entscheidung
Der BFH bestätigte aus den unter den Praxis-Hinweisen dargelegten Erwägungen die Entscheidung des FG.
Hinweis
Der Lohnsteuersenat verneint – entgegen der Verwaltungsauffassung (H 9.4 LStH 2012) – mit dem jetzt veröffentlichten Urteil für die Grundkonstellation des Outsourcing den Fortbestand der regelmäßigen Arbeitsstätte.
1. Der Lohnsteuersenat präzisiert auf Grundlage und in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung zur regelmäßigen Arbeitsstätte deren "Gegentatbestand", nämlich die Auswärtstätigkeit. Er betont den örtlichen Bezug zum Arbeitgeber: ein Arbeitnehmer ist auswärts tätig, wenn er außerhalb eines dem Arbeitgeber zuzuordnenden Betriebs, Zweigbetriebs oder Betriebsstätte tätig wird. Der BFH bemüht den schon in den Urteilen zum Leiharbeitnehmer (BFH, Urteil vom 17.6.2010, VI R 35/08, BFH/NV 2010, 1912, BFH/PR 2010, 420) und zur Tätigkeit bei Kunden des Arbeitgebers (BFH, Urteil vom 9.7.2009, VI R 21/08, BFH/NV 2009, 1883, BFH/PR 2009, 406) herangezogenen Aspekt: Bei solchen Auswärtstätigkeiten kann sich der Arbeitnehmer bei typisierender ex ante Betrachtung eben nicht auf den Ort, die Dauer und die weitere konkrete Ausgestaltung der dort zu verrichtenden Tätigkeit einstellen. Die vertragliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Kunde (Dritter) ist dem Einflussbereich des Arbeitnehmers entzogen.
2. Anhand dieser Grundsätze beurteilt der BFH auch das typische Outsourcing. Dieses liegt vor, wenn der Arbeitgeber bestimmte Arbeitsbereiche auf andere rechtlich selbstständige Unternehmen überträgt, die arbeits- oder dienstrechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und bisherigem Arbeitgeber enden und die beim bisherigen Arbeitgeber tätigen Arbeitnehmer künftig Arbeitnehmer der ausgegliederten Unternehmen werden, aber zunächst weiter in den Einrichtungen ihrer früheren Arbeitgeber tätig bleiben. In solchen Fällen ist der Arbeitnehmer – dann allerdings nicht durch den typischen Ortswechsel, sondern durch einen Arbeitgeberwechsel – auswärts tätig. Mit der endgültigen Ausgliederung endet die Tätigkeit in einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers und beginnt eine solche in einer Einrichtung eines Dritten. Das ist eine Auswärtstätigkeit, nicht anders als die bei einem Kunden des Arbeitgebers.
3. Im hier vom BFH entschiedenen Sonderfall lag kein solches Outsourcing vor. Denn auch nach Ks Zuweisung an die R GmbH waren die arbeits- und dienstrechtlichen Beziehungen zu seinem Dienstherrn, dem Bund, nicht beendet. Denn sogar durch entsprechende Ergänzungen des GG (Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG) war garantiert, dass bei der Post tätige Bundesbeamte auch bei einer Tätigkeit in privaten Unternehmen weiterhin unter Wahrung ihrer Rechtsstellung und fortwährenden Verantwortung des Dienstherrn beschäftigt bleiben. Unerheblich war insoweit, ob die dem Arbeitgeber obliegenden Aufgaben des Lohnsteuerabzugs (§§ 38ff. EStG) weiter von der DTAG oder von der R GmbH wahrgenommen worden waren. Angesichts dessen konnte sich K auf die Beibehaltung der bisherigen Tätigkeitsstätte einrichten. Die organisatorische Zuweisung nach § 4 Abs. 4 PostPersRG allein ohne hinzutretenden Ortswechsel begründete damit noch keine Auswärtstätigkeit.
4. Für die Tätigkeit an der regelmäßigen Arbeitsstätte gab es auch keinen Verpflegungsmehraufwand (§ 9 Abs. 5 Satz 1 EStG).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 9.2.2012 – VI R 22/10