Leitsatz
1. Die Gemeinden sind nicht dazu ermächtigt, gegenüber Gewerbesteuerpflichtigen die Teilnahme eines Gemeindebediensteten an der Außenprüfung des Finanzamts anzuordnen (Anschluss an BVerwG-Urteil vom 27.01.1995 – 8 C 30/92, BVerwGE 97, 357).
2. Das Finanzamt räumt im Rahmen seiner Anordnung der Außenprüfung nach §§ 193ff. AO i.V.m. § 21 Abs. 3 FVG der Gemeinde ihr Recht zur Teilnahme an dieser Außenprüfung ein.
3. Da es sich bei der Regelung des Rechts auf Teilnahme an der Außenprüfung um einen gegenüber dem Steuerpflichtigen eigenständigen Verwaltungsakt handelt, kann der Steuerpflichtige im Rahmen der Anfechtung dieser Anordnung alle Einwendungen geltend machen.
4. Die Finanzbehörde muss zur Wahrung des Steuergeheimnisses im Einzelnen sorgfältig prüfen, ob die Offenbarung bestimmter Informationen der Durchführung des Verfahrens dient und verhältnismäßig ist.
5. Das Recht eines Gemeindebediensteten, die Geschäftsräume des Steuerpflichtigen zu betreten, beruht auf der verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage des § 200 Abs. 3 Satz 2 AO i.V.m. § 21 Abs. 3 FVG.
Normenkette
§ 3 Abs. 2, § 5, § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 4 Nr. 1, § 193, § 196, § 197, § 200 AO, § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 21 Abs. 2 und 3 FVG, Art. 13 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG
Sachverhalt
Die Klägerin erklärte aufgrund einer grenzüberschreitenden Verschmelzung zum 16.12.2015, bei der stille Reserven aufgedeckt wurden, einen Jahresüberschuss in Milliardenhöhe. Vor Beginn des Zinslaufs nach § 233a AO beantragte sie bei der Stadt X die Heraufsetzung der Gewerbesteuervorauszahlungen für 2015 und verständigte sich dann mit der Stadt, dass im Hinblick auf eine bevorstehende Außenprüfung eine freiwillige Zahlung in dreistelliger Millionenhöhe geleistet werde. Informationen über die Gewerbesteuernachzahlung gelangten – nach Ansicht der Klägerin – aus dem Rathaus an die Presse.
Das FA ordnete sodann eine steuerliche Außenprüfung bei der Klägerin u.a. für die Gewerbesteuer 2012 bis 2015 an. Die Prüfungsanordnung enthielt die Mitteilung, dass die Stadt X von ihrem Recht auf Teilnahme an der Außenprüfung nach § 21 Abs. 1 FVG Gebrauch mache.
Einspruch und Klage gegen die Teilnahme der Gemeinde blieben ohne Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 19.1.2018, 1 K 2190/17 AO, Haufe-Index 11591390, EFG 2018, 609).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Gemeinden können hinsichtlich der Realsteuern (Gewerbe- und Grundsteuer), die von den Landesfinanzbehörden verwaltet werden, durch Gemeindebedienstete an Außenprüfungen teilnehmen. Für den Verwaltungsakt, der das Beteiligungsrecht der Gemeinde gegenüber dem Steuerpflichtigen regelt, ist das FA formell zuständig.
2. Die Gemeinden haben nach § 21 Abs. 3 FVGkein eigenes Prüfungsrecht, sondern können nur an einer vom FA angeordneten Außenprüfung teilnehmen, soweit die Realsteuern betroffen sind und der Steuerpflichtige in der Gemeinde eine Betriebsstätte unterhält oder Grundbesitz hat und die Außenprüfung im Gemeindebezirk erfolgt. Das Teilnahmerecht ist eine interne Befugnis im Verhältnis der Gemeinde zur staatlichen Finanzverwaltung und muss dieser gegenüber geltend gemacht werden. Das FA ist dann verpflichtet, durch eine dem Steuerpflichtigen bekanntzugebende Regelung der Teilnahme im Rahmen der Prüfungsanordnung oder in einer separaten Verfügung dem Beteiligungsrecht der Gemeinde Geltung zu verschaffen. Dabei handelt es sich um einen eigenständigen Verwaltungsakt.
3. Die Gemeinde darf keine eigenen Prüfungshandlungen vornehmen. Die Verwaltungshoheit und damit auch die Außenprüfungskompetenz verbleiben bei der Finanzbehörde.
4. Die Geheimhaltungsinteressen des Steuerpflichtigen werden durch die einschlägigen Normen hinreichend geschützt, soweit sich Steuerpflichtiger und Gemeinde – was hier nicht zutraf – nicht als Konkurrenten gegenüberstehen. Stehen Gemeinde und der Steuerpflichtige in einem Konkurrenz- oder Wettbewerbsverhältnis, so ist eine strenge und konkrete Interessenabwägung vorzunehmen (BFH, Beschluss vom 4.5.2017, IV B 10/17, BFH/NV 2017, 1009).
5. Das FA hat der Gemeinde die ihr zustehenden Informationen mit "Realsteuerrelevanz" mitzuteilen, also z.B. die für den Gewerbeertrag i.S.d. § 7 GewStG bedeutsamen Tatsachen. Die Offenbarung musst den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips genügen und darf nur dem Zweck dienen, der Gemeinde eine wirksame Durchsetzung ihres Steueranspruchs zu ermöglichen.
6. Die im Streitfall anzunehmende Verletzung des Steuergeheimnisses durch die Gemeinde vor der Prüfung war unbeachtlich, weil kein Zusammenhang zwischen der Preisgabe von Informationen und der Regelung zur Teilnahmebefugnis der Gemeinde durch das FA bestand. Selbst wenn es außerhalb des Teilnahmerechts der Gemeinde zu einer Verletzung des Steuergeheimnisses durch einen (politischen) Vertreter der Gemeinde gekommen sein sollte, rechtfertigen zukünftig zu erwartende, weitere Verletzungen des Steuergeheimnisses durch einzelne Gemeindevertreter nicht den...