Leitsatz
Die durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 eingeführte Beschränkung der Verrechnung von Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften auf Gewinne, die der Steuerpflichtige im unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat oder erzielt, verstößt nicht gegen das Grundgesetz.
Sachverhalt
Der Kläger erzielte im Veranlagungszeitraum 2000 neben positiven Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit auch Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Wertpapieren. Das Finanzamt berücksichtigte entsprechend dem Wortlaut des Gesetzes die Verluste des Klägers nicht bei der Einkommensteuerfestsetzung, sondern erließ einen Bescheid zum 31.12.2000 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer, in dem er den Verlustvortrag für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäfte feststellte. Das Finanzamt wies den Einspruch des Klägers gegen seine Einkommensteuerfestsetzung zurück. In seiner Klagebegründung verwies der Kläger darauf, dass die Nichtanerkennung seiner Verluste den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verletze. Diese ergäbe sich vor allem daraus, dass etwaige Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften sofort der Einkommensteuer unterworfen seien, während Verluste "irgendwann einmal" mit eventuell möglichen Gewinnen verrechnet würden.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage als unbegründet ab. Insbesondere führte es aus, dass die hier einschlägigen Regelungen des § 23 Abs. 3 Satz 8 und 9 EStG nicht grundgesetzwidrig seien. Zwar würden durch diese Regelungen die Ausgleichsmöglichkeiten erzielter Verluste eingeschränkt. Diese Einschränkungen seien aber nicht so durchgreifend, dass sie als verfassungsrechtlich bedenklich anzusehen wären. Außerdem wies das Finanzgericht darauf hin, dass die Besteuerung von privaten Veräußerungsgeschäften mit Wertpapieren nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 1999 nicht verfassungswidrig sei. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 9.3.2004 (BVerfG, Urteil v. 9.3.2004, 2 BvL 17/02, BFH/NV Beilage 2004 S. 293) seine Entscheidung über die Feststellung der Nichtigkeit ausdrücklich auf die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 beschränkt und ausdrücklich nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Feststellung der Nichtigkeit auch auf die nachfolgenden Veranlagungszeiträume zu erstrecken. Es habe diese Entscheidung zum einen mit der gewandelten einfachgesetzlichen Lage für den Zeitraum ab 1999 und zum anderen wegen der negativen Kursentwicklung an den Kapitalmärken begründet, so dass nicht notwendig für diese Veranlagungszeiträume von einem strukturellen Erhebungsdefizit gesprochen werden könne. Dieser Auffassung schließt sich das Finanzgericht an
Hinweis
Das Urteil ist unter zwei Aspekten von Bedeutung:
Während das FG Brandenburg (FG Brandenburg, Beschluss v. 24.5.2004, 3 V 974/04) sowie das Finanzgericht Düsseldorf (FG Düsseldorf, Beschluss v. 27.7.2004, 8 V 2806/04 A (E)) Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte mit Wertpapieren ab dem Jahr 1999 äußern, ist das Finanzgericht Berlin anderer Auffassung und sah dementsprechend von einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG ab. Da eine höchstrichterliche Entscheidung hinsichtlich der Vereinbarung der Besteuerung von privaten Wertpapierveräußerungsgeschäften noch aussteht - die von der Finanzverwaltung eingelegten Beschwerden gegen die o.g. Beschlüsse sind noch nicht entschieden - sollten Steuerpflichtige ab dem Jahr 1999 Einspruch einlegen und Aussetzung der Vollziehung beantragen, sofern sie Gewinne aus Wertpapierveräußerungsgeschäften erzielt haben. Sofern Steuerpflichtige Verluste erzielt haben, dürfte die Beschreitung des Rechtswegs nicht erfolgversprechend sein. Der BFH hat in seinem Urteil vom 1. Juni 2004 (BFH, Urteil v. 1.6.2004, IX R 35/01, BFH/NV 2004 S. 1180) erkennen lassen, dass er die Regelung der beschränkten Verlustverrechnung, wie sie durch das StEntlG 1999/2000/2002 eingeführt wurde, für verfassungskonform hält. So führt der Senat aus, dass es ihm verwehrt sei, die Vorschrift des § 23 Abs. 3 EStG, die ab 1999 für private Veräußerungsgeschäfte einen beschränkten Verlustrücktrag und Verlustvortrag eröffnet, in verfassungskonformer Auslegung auf Streitjahre bis 1998 anzuwenden. Damit macht er deutlich, dass er diese Regelung für grundgesetzkonform hält.
Link zur Entscheidung
FG Berlin, Urteil vom 22.06.2004, 7 K 7500/02