Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Die Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e EStG trifft eine Regelung dahin, wie die Finanzbehörde den vom Antragsteller dargestellten Sachverhalt gegenwärtig beurteilt.
2. Entsprechend diesem Regelungsgehalt überprüft das FG die Auskunft sachlich nur daraufhin, ob der Sachverhalt zutreffend erfasst und die rechtliche Beurteilung nicht evident fehlerhaft ist.
Normenkette
§ 42e EStG
Sachverhalt
K, eine GmbH, wollte ihren Mitarbeitern und Organvertretern flexible Arbeitszeitmodelle anbieten. Dazu beantragte sie eine Lohnsteueranrufungsauskunft. Das FA erteilte mit Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 17.6.2009 (BStBl I 2009, 1286) die Auskunft, ein Zeitwertkonto könne für alle Arbeitnehmer eingerichtet werden. Aber bei Arbeitnehmern, die zugleich Organ einer Körperschaft seien, führe die Gutschrift auf dem Zeitwertkonto zum Zufluss von Arbeitslohn. Zeitwertkonten seien mit dem Aufgabengebiet eines Organs nicht vereinbar und daher nicht anzuerkennen. Entsprechendes gelte für Arbeitnehmer, die zugleich beherrschende Gesellschafter seien. K begehrte dagegen die Auskunft, dass die Gutschrift auf dem Zeitwertkonto auch bei diesen besonderen Arbeitnehmern nicht zum Lohnzufluss führe. Nach erfolglosem Einspruch war Ks darauf gerichtete Klage erfolgreich; das FG entschied, das FA habe K eine entsprechende Lohnsteueranrufungsauskunft zu erteilen (FG Münster, Urteil vom 13.3.2013, 12 K 3812/10 E, Haufe-Index 3740416, EFG 2013, 1026).
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab; wie in den Praxis-Hinweisen erläutert, hatte K keinen Rechtsanspruch auf Erteilung einer anderen Auskunft.
Hinweis
Das Besprechungsurteil präzisiert Rechtsschutzbefugnisse des Steuerpflichtigen gegen eine inhaltlich nicht antragsgemäß erteilte Lohnsteueranrufungsauskunft.
1.§ 42e EStG gibt einen Anspruch auf eine inhaltlich richtige Anrufungsauskunft. Denn der mit der Lohnsteuererhebung belastete Arbeitgeber sollte die lohnsteuerrechtliche Lage, die häufig auch seine Kostenkalkulation berührt, zeitnah erfahren. Er soll Rechtsschutz nicht erst durch Anfechtung von Haftungsbescheiden haben. Die Lohnsteueranrufungsauskunft ergeht als Verwaltungsakt, ist somit mittels Anfechtungs- und Verpflichtungsklage überprüfbar (BFH, Urteil vom 30.4.2009, VI R 54/07, BFH/NV 2009, 1528, BFH/PR 2009, 374).
2.Das Rechtsschutzinstrumentarium der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage besagt noch nichts über die gerichtliche Kontrolldichte. Diese hängt, entsprechend der Funktion, den Verwaltungsakt inhaltlich auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen, von dessen Regelungsgehalt ab. Deshalb beschränkt sich die inhaltliche Überprüfung einer Lohnsteueranrufungsauskunft darauf, ob die rechtliche Einordnung des zur Prüfung gestellten und zutreffend erfassten Sachverhalts in sich schlüssig und nicht evident rechtsfehlerhaft ist. Die Wechselwirkung zwischen Regelungsgehalt und Kontrolldichte war schon tragender Gedanke im Urteil zur verbindlichen Auskunft (BFH, Urteil vom 29.2.2012, IX R 11/11, BFH/NV 2012, 1350, BFH/PR 2012, 324) und gilt auch bei der Lohnsteueranrufungsauskunft. Deren Regelungsinhalt ist die gegenwärtige Beurteilung des typischerweise hypothetischen Sachverhalts im Hinblick auf die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug. Mehr nicht! Die Lohnsteuerauskunft regelt weder die Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers noch die Lohnsteuerabführungspflicht des Arbeitgebers und wirkt auch nicht in das Veranlagungsverfahren. Somit bedarf es auch keiner umfassenden gerichtlichen Kontrolle, welche lohn- und einkommensteuerrechtlichen Folgen der Sachverhalt tatsächlich zeitigen wird, sollte er – wie in der Anfrage angekündigt – verwirklicht werden. Es gelten – wie bei der verbindlichen Auskunft (BFH/PR 2012, 324) – die Anforderungen an ein faires Verwaltungsverfahren: Der Sachverhalt ist zutreffend zu erfassen, und die Behörde darf keine Auskunft erteilen, die offensichtlich nicht mit dem Gesetz oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung – soweit sie von der Finanzverwaltung angewandt wird, d.h. kein Nichtanwendungserlass besteht – in Einklang steht.
3. Das Auskunftsverfahren hat nicht die Aufgabe, ungeklärte Rechtsfragen zu beantworten. Es dient vielmehr der Vermeidung des Haftungsrisikos des Arbeitgebers; dem ist entsprochen, wenn der Rechtsschutz nicht schwächer ausfällt als der im Rahmen einer verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO (BFH/PR 2012, 324). Schließlich entspricht es dem Wesen einer Auskunft, dass die sie erteilende Stelle ihre Rechtsauffassung mitteilt; dies ergibt sich nicht zuletzt aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung.
4. Die im Streitfall gegebene Auskunft entsprach diesen Grundsätzen. Das FA stützte sich dazu auf die Verwaltungsauffassung (BMF, Schreiben vom 17.6.2009, BStBl I 2009, 1286). Die Frage zum Zeitwertkonto ist bisher höchstrichterlich noch nicht geklärt und beantwortet sich auch nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz. Das FA war mithin nicht verpflichtet, eine abweichende und für K günstigere Auskunft zu erteilen.
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