Der Art. 199a MwStSystRL erlaubt den Mitgliedstaaten, bei der Bezahlung der Mehrwertsteuer auf Lieferungen bestimmter Gegenstände und Dienstleistungen, die betrugsanfällig sind, insbesondere für den innergemeinschaftlichen Missing-Trader-MwSt-Betrug (MTIC-Betrug), fakultativ die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft in Anspruch zu nehmen. Die Sondermaßnahme des Schnellreaktionsmechanismus gem. Art. 199b MwStSystRL bietet den Mitgliedstaaten unter bestimmten strengen Bedingungen ein schnelleres Verfahren für die Einführung der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft und damit eine angemessenere und wirksamere Reaktionsmöglichkeit bei unvermittelt auftretenden und schwerwiegenden Betrugsfällen. Beide Artikel laufen am 30.6.2022 aus.

Nunmehr hat die Kommission am 10.2.2022 einen Richtlinienvorschlag zur Änderung der MwSt-Systemrichtlinie im Hinblick auf die Verlängerung des Anwendungszeitraums der fakultativen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft bei Lieferungen bestimmter betrugsanfälliger Gegenstände und Dienstleistungen und des Schnellreaktionsmechanismus gegen MwSt-Betrug vorgelegt (vgl. https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-6158-2022-INIT/de/pdf). Hierin schlägt die Kommission vor, den Anwendungszeitraum der Art. 199a und 199b MwStSystRL bis zu 31.12.2025 zu verlängern.

Zur Begründung des Richtlinienvorschlags führt die Kommission Folgendes an:

Die Kommission habe bereits zwei Legislativvorschläge für die Einführung des endgültigen MwSt-Systems angenommen (vgl. EU-UStB 2018, 87), das eine umfassende Antwort auf MTIC-Betrug bieten soll. Diese Vorschläge, die ursprünglich am 1.7.2022 in Kraft treten sollten, seien noch Gegenstand der Beratungen im Rat. Es sei absehbar, dass sie nicht vor diesem Datum angenommen werden und somit nicht zu diesem Zeitpunkt in Kraft treten.

Anknüpfend an das Steuerpaket arbeite die Kommission unter dem Titel "Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter" auch an einem Vorschlag zur Modernisierung der Meldevorschriften, ein System, das – möglicherweise in Echtzeit – den Steuerverwaltungen ausführliche Informationen über einzelne Umsätze liefern und die Anwendung der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft obsolet machen könnte (vgl. EU-UStB 2020, 88).

Im Jahr 2018 habe die Kommission über ihre Feststellungen zu den Auswirkungen der in den Art. 199a und 199b MwStSystRL vorgesehenen Mechanismen auf die Betrugsbekämpfung berichtet (vgl. EU-UStB 2018, 59). Dem Bericht zufolge erachteten die Mitgliedstaaten und Interessenträger die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft gem. Art. 199a MwStSystRL im Allgemeinen als wirksames, befristetes Instrument zur Bekämpfung des MwSt-Betrugs. Ferner betrachteten die Mitgliedstaaten dem Bericht zufolge den Schnellreaktionsmechanismus als nützliches Instrument und als Vorsichtsmaßnahme gegen außergewöhnliche Fälle von MwSt-Betrug. Seitdem wurden die rechtlichen Voraussetzungen oder praktischen Modalitäten für die Anwendung der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft im derzeitigen MwSt-System der EU nicht geändert. Zudem wurde die MwSt-Richtlinie nicht wesentlich in Richtung einer strukturelleren Bekämpfung des MTIC-Betrugs geändert. Aus diesen Gründen sei davon auszugehen, dass diese Feststellungen und Erwägungen nach wie vor weitgehend gültig sind.

Daraus folge, dass sich die Maßnahmen der Art. 199a und 199b MwStSystRL als befristete und gezielte Maßnahmen als nützliches Instrument erwiesen haben. Mit ihrem Auslaufen würde den Mitgliedstaaten ein wirksames Instrument zur Betrugsbekämpfung genommen; daher sollten diese Maßnahmen um einen weiteren begrenzten Zeitraum verlängert werden, damit im Rat Verhandlungen über das endgültige MwSt-System geführt werden können und damit die in der Zwischenzeit anzunehmende Modernisierung der Meldepflichten weiterentwickelt werden kann.

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