Die Kommission ist der Ansicht, dass das aktuelle MwSt-System nicht nur betrugsanfällig, sondern für Unternehmen auch zunehmend komplex und mit immer größerem Aufwand verbunden ist. Vor allem aber seien die 30 Jahre alten MwSt-Vorschriften mit Blick auf den grenzüberschreitenden Handel nicht für eine Geschäftstätigkeit im digitalen Zeitalter geeignet; daher sollten Überlegungen darüber angestellt werden, wie die Technologie genutzt werden kann, um den Verwaltungsaufwand und die damit verbundenen Kosten für die Unternehmen zu verringern und gleichzeitig den Steuerbetrug zu bekämpfen. Aus diesem Grund hatte die Kommission in ihrem Aktionsplan von 2020 für eine faire und einfache Besteuerung zur Unterstützung der Aufbaustrategie das Legislativpaket "MwSt-Vorschriften für das digitale Zeitalter" angekündigt (EU-UStB 2020, 88). Die Kommission hat das Legislativpaket am 8.12.2022 in der englischen Sprachfassung vorgelegt; die deutsche Sprachfassung folgte dann mit zweimonatiger Verzögerung. Das umfangreiche Legislativpaket setzt sich wie folgt zusammen:

  • Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der MwSt-Systemrichtlinie in Bezug auf die MwSt-Vorschriften für das digitale Zeitalter (vgl. https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-15841-2022-INIT/de/pdf),
  • Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 hinsichtlich der für das digitale Zeitalter erforderlichen Vereinbarungen über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer (vgl. https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-15842-2022-INIT/de/pdf) und
  • Vorschlag für eine Durchführungsverordnung des Rates zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates hinsichtlich der Informationsanforderungen für bestimmte MwSt-Regelungen (vgl. https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-15843-2022-INIT/de/pdf).

Mit dem Paket verfolgt die Kommission im Wesentlichen drei Ziele:

  • Durch die Einführung digitaler Meldepflichten sollen die MwSt-Erklärungspflichten modernisiert werden, so dass die Informationen, die Steuerpflichtige den Steuerbehörden zu jedem einzelnen Umsatz in elektronischer Form übermitteln müssen, standardisiert werden. Gleichzeitig wird die Nutzung der elektronischen Rechnungsstellung für grenzüberschreitende Umsätze vorgeschrieben.
  • Die Herausforderungen der Plattformwirtschaft sollen angegangen werden, indem die für die Plattformwirtschaft geltenden MwSt-Vorschriften aktualisiert werden und damit das Problem der Ungleichbehandlung in Angriff genommen wird, die für diese Umsätze geltenden Vorschriften über den Ort der Dienstleistung präzisiert werden und die Rolle von Plattformen, die die Kurzzeitvermietung von Unterkünften oder Personenbeförderungsdienstleistungen unterstützen, bei der Erhebung der Mehrwertsteuer gestärkt wird.
  • Durch die Einführung einer einzigen MwSt-Registrierung sollen mehrfache MwSt-Registrierungen in der EU entfallen und die Funktionsweise des Instruments zur Anmeldung und Entrichtung der Mehrwertsteuer auf Fernverkäufe von Gegenständen verbessert werden. Dies bedeutet, dass die bestehenden Systeme der einzigen Anlaufstelle (OSS) und der einzigen Anlaufstelle für die Einfuhr (IOSS) sowie der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft verbessert und erweitert werden müssen, um die Fälle, in denen ein Steuerpflichtiger sich in einem anderen Mitgliedstaat registrieren muss, auf ein Mindestmaß zu beschränken.

Zur Verwirklichung dieser Ziele schlägt die Kommission eine Vielzahl zeitlich gestaffelter legislativer Maßnahmen vor, die zusammenfassend und themenbezogen wie folgt dargestellt werden können:

  • Elektronische Rechnungsstellung

    In einem ersten Schritt soll mit Wirkung vom 1.1.2024 die elektronische Rechnung neu definiert werden. In Angleichung an das Konzept der RL 2014/55/EU über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen, soll der Ausdruck "elektronische Rechnung" eine Rechnung bezeichnen, die die nach der MwSt-Systemrichtlinie erforderlichen Angaben enthält und in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird, das ihre automatische und elektronische Verarbeitung ermöglicht (neuer Art. 217 MwStSystRL). Den Mitgliedstaaten wird das Recht eingeräumt, die Ausstellung elektronischer Rechnungen vorzuschreiben (neuer Art. 218 Abs. 2 MwStSystRL); grundsätzlich sind dabei alle Formate zulässig. Die Mitgliedstaaten sind aber verpflichtet, immer die Ausstellung von Rechnungen der europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung und der Liste von Syntaxen gemäß der RL 2014/55/EU zuzulassen (neuer Art. 218 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL). Die Ausstellung elektronischer Rechnungen und deren Übermittlung an den Empfänger dürfen nicht an eine vorherige Genehmigung oder Validierung durch die Steuerbehörden des Mitgliedstaates geknüpft sein (neuer Art. 218 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL). Mehrere Mitgliedstaaten durften im Rahmen einer Sondermaßnahme die obligatorische elektronische Rechnungsstellung ...

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